Studierende der Uni Heidelberg.

Verzögerungen beim BAföG Studierende warten bis zu fünf Monate

Stand: 10.12.2023 15:53 Uhr

Wer studieren will, der kann - auch ohne vermögende Eltern: Dafür steht das BAföG. Doch bis der Antrag durch ist, vergehen oft Monate. Und ist das Geld da, reicht es vielen nicht aus. Das könnte verfassungswidrig sein.

Von Imke Wrage, akkurat

Wenn Anna Thewalt an den vergangenen Oktober denke, sagt sie, dann komme die Panik wieder hoch. Ihr Konto sei leer gewesen, der Kühlschrank auch. Nachts habe sie nicht schlafen können.

Im vergangenen Mai hatte die 22-jährige Architekturstudentin aus Trier ihren BAföG-Folgeantrag eingereicht. 812 Euro bekommt sie seit Studienstart monatlich, den Höchstsatz. "Ohne könnte ich nicht studieren", sagt sie. Doch der Bescheid ließ "mal wieder" auf sich warten. Und damit auch: das dringend benötigte Geld. 

Thewalt ist kein Einzelfall. Das zeigt eine nicht-repräsentative Befragung von 2.698 Studierenden aus dem vergangenen November über den Instagram-Kanal der tagesschau. Gut jeder Dritte der befragten Studierenden wartet demnach bis zu fünf Monate auf den BAföG-Bescheid, manche sogar länger. Mehr als 60 Prozent der Befragten wissen nicht, wovon sie in dieser Zeit leben sollen.  

akkurat: Was beim Bafög alles schief läuft

Sara Maria Manzo, ARD-aktuell, tagesschau24, 17.10.2023 16:00 Uhr

Die BAföG-Sätze werden vor Gericht verhandelt

Auch Caroline aus Hamburg erzählt das so. Aus Angst vor Problemen mit dem BAföG-Amt möchte die Bachelorstudentin ihren Nachnamen nicht nennen. Auch sie bekommt den Höchstsatz, weil die Eltern finanziell nicht unterstützen können. "Ich habe seit Monaten keine Miete gezahlt. Ich bin im Dispo bis zum Ende", sagt sie. Selbst wenn das Geld dann irgendwann komme, reiche BAföG ohne Nebenjob nicht aus.

Das könnte gegen die Verfassung verstoßen - zumindest, wenn es nach dem Hamburger Rechtsanwalt Joachim Schaller geht. Seine Mandantin, eine frühere Psychologiestudentin, hatte 2014/15 gegen den damals geltenden BAföG-Grundbedarf geklagt. Seitdem ging die Klage durch mehrere Instanzen. 2021 hatte das Bundesverwaltungsgericht einem Verstoß gegen die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums Recht gegeben. Nun werden die BAföG-Sätze vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geprüft.

Jeder dritte Studierende lebt unter der Armutsgrenze

Handlungsbedarf hat auch die Politik erkannt. "Wir bringen das BAföG zurück in die Zukunft und passen es an die Realität des 20. Jahrhunderts an", hatte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Juli 2022 in einer Bundestagsrede versprochen.

Die Realität: Nur etwa jeder zehnte Studierende kriegt BAföG. Gleichzeitig lebt jeder dritte Studierende unter der statistischen Armutsgrenze - hat also weniger als 1.251 Euro pro Monat. 

Die im August 2022 in Kraft getretene 27. BAföG-Novelle brachte erste Anpassungen: Freibeträge wurden etwa angehoben, auch der Grundbedarf und die Wohnpauschale stiegen. Doch die Inflation und die Energiepreise zogen nach. Unter dem Strich blieben Studierenden 30 Euro mehr pro Monat.

 

In den Ämtern stapeln sich die Anträge

Die Bundesregierung hat weitere Reformschritte versprochen. Das BAföG solle unabhängiger von den Eltern werden, steht im Koalitionsvertrag - und insgesamt weniger bürokratisch. Dass das viele Studierende entlasten würde, zeigt die nicht-repräsentative tagesschau-Befragung aus dem vergangenen November: Gut jeder dritte befragte Studierende gab demnach an, zwischen drei und fünf Wochen für die Bearbeitung des Antrags zu brauchen. Neun von zehn der befragten Studierenden schafften es nicht, alle geforderten Unterlagen einzureichen.

Das verlängere die Bearbeitungszeit der Anträge erheblich, heißt es auf Anfrage aus den BAföG-Ämtern in Hamburg und Trier. Das Personal sei derzeit knapp. Und eine digitale Akte, die Prozesse vereinfachen könnte: noch längst nicht eingeführt.

Mehr Geld für die BAföG-Reform

Für 2024 bekommt das Bildungsministerium 150 Millionen Euro mehr für BAföG zur Verfügung. "Ein Tagessieg auf einer schweren Etappe", wenn es nach dem Deutschen Studierendenwerk geht. Was genau mit der Summe realisiert werden kann, ist aber noch unklar. "Zu weiteren Reforminhalten im BAföG sind die Abstimmungen in der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen", sagt ein Sprecher des Bildungsministeriums. Für viele Studierende heißt es also weiterhin: warten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet tagesschau24 am 10. Dezember 2023 um 17:00 Uhr.