Stasi-Vorwürfe gegen Linken-Fraktionschef Worum geht es im Fall Gysi?

Stand: 11.02.2013 17:13 Uhr

Seit etwa 20 Jahren kommen immer wieder Vorwürfe zu angeblichen Stasi-Verstrickungen Gregor Gysis auf. Bisher konnten sie nie bewiesen werden. Worum geht es genau im aktuellen Fall? Und was haben die Vorgänge zu bedeuten? tagesschau.de hat die wichtigsten Fakten für Sie zusammengestellt.

Worum geht es bei den aktuellen Vorwürfen?

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen Gysi eingeleitet, weil er womöglich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Im Januar 2011 wehrte sich Gysi gegen die Ausstrahlung einer NDR-Dokumentation, in der auch seine angeblichen Kontakte zur Stasi thematisiert werden sollten. In diesem Zusammenhang versicherte er an Eides statt, er habe "zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet." So berichtet es die "Welt am Sonntag" in dem Artikel, der die aktuelle Debatte ausgelöst hat.

Das Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, nachdem ein ehemaliger Richter Anzeige erstattete. Denn Gysi soll im Februar 1989 zwei Stasi-Offizieren über ein Interview berichtet haben, das kurz zuvor zwei "Spiegel"-Reporter mit ihm geführt hatten. Dies schließt die "Welt am Sonntag" aus einem dreiseitigen Vermerk, den sie im vergangenen Jahr von der Stasi-Unterlagen-Behörde erhalten habe. Wenn sich bestätigen sollte, dass Gysi dem Ministerium für Staatssicherheit darüber tatsächlich Bericht erstattete, könnte ihm das zum Verhängnis werden.

Lässt schon das Einleiten eines Ermittlungsverfahrens darauf schließen, dass an den Vorwürfen etwas dran ist?

Nein. Ein Ermittlungsverfahren wird immer dann eingeleitet, wenn ein Anfangsverdacht besteht. Und der besteht laut Strafprozessordnung (StPO), wenn es "zureichende, tatsächliche Anhaltspunkte" für den Verdacht gibt. "Das ist ein sehr üblicher Vorgang, der juristisch zunächst mal gar nichts zu bedeutet hat", sagt Gigi Deppe, aus der ARD-Redaktion Ratgeber Recht. "Es lässt lediglich darauf schließen, dass die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe in der Anzeige nicht für völlig absurd hält." Dennoch gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft versucht in dem Verfahren, sich einen Überblick über den Sachverhalt zu verschaffen und entscheidet am Ende, ob eine Anklage erhoben oder ob das Verfahren eingestellt wird.

Was bedeutet es, wenn die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben wird?

"Das ist ein routinemäßiger Vorgang", sagt der Staatsrechtler Christoph Degenhart. "Am Anfang jeder Legislaturperiode hebt der Immunitätsausschuss des Bundestages die Immunität eines jeden Abgeordneten auf, damit im Falle eines Verdachts ermittelt werden kann." Dies würde nur dann nicht greifen, wenn es sich um Beleidigungen politischen Charakters handelte. In einem solchen Fall müsste der Immunitätsausschuss tätig werden und die Immunität wieder einsetzen. Im aktuellen Fall soll - nach Auskunft der Partei Die Linke - der Immunitätsausschuss lediglich über die Ermittlungen gegen Gysi informiert worden sein. Es ist also nicht korrekt, dass die Immunität Gysis Ende Januar aufgehoben wurde.

Was droht Gregor Gysi, wenn sich der Verdacht erhärtet?

Gegen Gysi wird wegen einer angeblichen Falschaussage ermittelt. "Das ist ein relativ schwerwiegendes Delikt", sagt Degenhart. Sollte es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen, drohen Gysi nach Paragraph 156 des Strafgesetzbuchs bis zu drei Jahren Haft oder eine Geldstrafe.

Warum wurden die Ermittlungen gegen Gysi erst jetzt öffentlich?

Mitte Dezember des vergangenen Jahres informierte die Staatsanwaltschaft Hamburg den Präsidenten des Deutschen Bundestages von der Absicht, ein Ermittlungsverfahren gegen Gysi einzuleiten. Zeitgleich wurde auch Gysi selbst über die Ermittlungen informiert. Da der Bundestagspräsident in seinem Antwortschreiben keine Einwände dagegen vorbrachte, nahm die Staatsanwaltschaft am 4. Januar dieses Jahres das Ermittlungsverfahren auf. Die Medien werden in solchen Fällen nicht informiert.

Die "Welt am Sonntag" habe erst vor wenigen Tagen von dem Ermittlungsverfahren erfahren, sagt "Welt"-Redakteur Uwe Müller. Nach einer kurzen Prüfung der Fakten, sei der Bericht dann sofort veröffentlicht worden.