Eine Krankenschwester zieht eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer auf.
FAQ

Corona-Impfstoff Was Sie über das Impfen wissen müssen

Stand: 30.11.2020 14:43 Uhr

Minister Spahn erwartet noch in diesem Jahr Corona-Impfungen. Die Länder bereiten bereits Impfzentren vor. Wie werden die Impfungen ablaufen? Was ist mit Nebenwirkungen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Dominik Lauck, tagesschau.de

Wann könnte frühestens die EU-Zulassung erfolgen?

Es gibt ein beschleunigtes Zulassungsverfahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Pharmafirmen können ihre Corona-Impfstoff-Kandidaten bereits während der Phase der klinischen Studien bei der EMA melden. Im Moment setzt neben Biontech zum Beispiel auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca auf diesen Weg. Klar ist, dass es in Europa keine vorläufige Zulassung geben wird.

Wenn die EMA-Experten ihre Ergebnisse ausgewertet haben, geben sie ihre Empfehlung an die Europäische Kommission. Sie entscheidet, ob eine Zulassung erfolgt - im positiven Fall für alle EU-Mitgliedsstaaten. Die EMA zeigte sich zuletzt zuversichtlich, noch vor den Feiertagen grünes Licht für einen ersten Impfstoff geben zu können.

Wann gibt es Impfstoffe in Deutschland?

Mehrere Unternehmen stehen bereits in den Startlöchern und haben angekündigt, ihre Impfstoffe ausliefern zu können, sobald die Zulassungsbehörden den Weg dafür frei machen. Biontech und Pfizer, die als erste westliche Anbieter vielversprechende Testdaten vorgelegt haben, erklärten: "Die Lieferung soll Ende 2020 starten, vorbehaltlich der behördlichen Zulassung." Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rechnet noch in diesem Jahr mit ersten Impfungen.

Wie wird die Impfung ablaufen?

Die derzeit in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe werden zu Anfang nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um die gesamte Bevölkerung von 83 Millionen zu impfen. Daher sollen die Impfdosen möglichst effizient eingesetzt werden zum Wohle der Allgemeinheit.

Geimpft werden soll in vom Staat beauftragten Impfzentren und durch mobile Impfteams in Pflegeheimen. Zuerst sollen Menschen mit Vorerkrankungen beispielsweise der Lungen oder der Bronchien geimpft werden, Ältere und Beschäftigte in besonders wichtigen Berufen - etwa Ärzte, Pfleger, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher.

Doch anfangs wird der Impfstoff wohl auch nicht für all diese Menschen reichen. Also wird noch weiter priorisiert. Dazu wollen Ethikrat, Impfkommission und Leopoldina ihre bereits vorgelegten Empfehlungen verfeinern. Doch geht das laut Bundesgesundheitsministerium noch nicht, weil die Eigenschaften des Impfstoffs noch nicht klar sind. "Wenn zum Beispiel ein Impfstoff zugelassen wird, der für die Altersgruppe von 45- bis 50-Jährigen wirkt, macht es keinen Sinn, die über 60-Jährigen zuerst impfen zu wollen."

Laut Spahn zählen in Deutschland bis zu 40 Prozent der Menschen zur Risikogruppe. Als Risikofaktoren gelten hohes Alter, Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-, Lungen-, Nieren- oder Lebererkrankungen, Diabetes, Rauchen sowie ein geschwächtes Immunsystem.

Wie viele Impfzentren sind geplant?

Die Zentren haben eine Brückenfunktion. Sie sollen so lange die Massenimpfung übernehmen, bis die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland diese Aufgabe weiterführen können. Diese zentralen Stellen sind nötig, da beispielsweise der Biontech-Impfstoff bei bis zu minus 70 Grad gelagert werden muss. Spahn hat die Länder nach eigenen Angaben gebeten, dass die Impfzentren Mitte Dezember einsatzbereit sein sollen.

In der Regel wird pro Landkreis beziehungsweise kreisfreier Stadt ein Impfzentrum errichtet. Ausnahmen sind Großstädte: Dort kann es auch mehr als ein Zentrum geben. Berlin etwa plant sechs solcher Einrichtungen, so dass pro Tag 20.000 Menschen geimpft werden können. In Hamburg wird nur ein zentrales Impfzentrum errichtet, das in der Spitze eine Kapazität von über 7000 Impfungen pro Tag vorhalten wird. Zusätzlich zu den stationären Zentren sollen mobile Teams bewegungseingeschränkte Menschen in Betreuungseinrichtungen oder auch zu Hause aufsuchen, um sie zu impfen.

Nach Angaben des Technischen Hilfswerkes (THW) ist der Stand der Vorbereitungen in den Bundesländern unterschiedlich. Teilweise liefen noch Planungen, aber es gebe auch schon Impfzentren, die eingerichtet würden. "Alle arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir diese Impfzentren so schnell wie möglich verfügbar haben", sagte THW-Präsident Gerd Friedsam im RBB. Ziel sei es, Mitte Dezember möglichst viele einsatzbereit zu haben.

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD), warnte jedoch vor der Hoffnung, dass es ab Januar an vielen Orten Impfzentren geben könne. "Tatsächlich gehen wir aber davon aus, dass bis weit ins Frühjahr hinein vor allem mobile Impfteams in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser fahren", so Jung. Es dürften keine unrealistische Erwartungen geweckt werden. "Massenimpfungen für die breite Bevölkerung werden nach den Plänen von Bund und Ländern frühestens ab dem Sommer möglich sein."

Wie wirksam werden die Impfstoffe sein?

Die bisherigen Impfstoff-Kandidaten haben den Angaben zufolge eine hohe Wirksamkeit. Die der Vakzine von Biontech/Pfizer und von Moderna liegen für Doppelimpfungen nach vorläufigen Daten bei rund 95 Prozent. Der vom Pharmakonzern Astrazeneca entwickelte Impfstoff lag - je nach Verabreichung und Dosierung - bei einer Effektivität von 90 beziehungsweise 62 Prozent. Zusammengenommen ergibt sich daraus eine Wirksamkeit von 70 Prozent.

Das sei bemerkenswert und habe die Erwartungen von Epidemiologen übertroffen, sagte der Generaldirektor des internationalen Pharmaverbands IFPMA, Thomas Cueni. Auch der Berliner Virologe Christian Drosten spricht im NDR-Podcast von sehr gute Nachrichten. "Diese Impfstoffe sind alle überraschend gut effizient. Alles ist irgendwie besser, als man gedacht hätte."

Wie groß ist die Gefahr vor unerwünschten Nebenwirkungen?

Bei den bisherigen Impfstoff-Kandidaten deutet nichts auf größere Gefahren hin. Die angegebenen Nebenwirkungen seien im Vergleich zu anderen Impfungen nichts Ungewöhnliches, erklärte Sandra Ciesek. Die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt schränkte jedoch ein: "Erst wenn Sie den Impfstoff oder Medikamente in der Fläche anwenden, können auch noch seltene Nebenwirkungen auftreten, die sie in Studien nicht entdeckt haben, weil die Teilnehmerzahl begrenzt ist."

Was kosten die Impfstoffe?

Impfstoffhersteller und Regierungen haben unterschiedliche Preise ausgehandelt, von denen nicht alle öffentlich sind. Diese reichen in Europa von rund 2,50 Euro pro Dosis für den AstraZeneca-Impfstoff bis hin zu 15,50 Euro je Dosis, die der Impfstoff von Biontech und Pfizer laut EU-Kreisen kosten soll.

In Deutschland sollen die Impfstoffe kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten für den Aufbau und die Organisation von Impfzentren sollen von Bund, Ländern und aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Privaten Krankenversicherung erfolgen. Zu möglichen Kosten wollte sich das Bundesgesundheitsministerium zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Dies hänge auch von der Art des Impftstoffs ab.

Wie viel Prozent der Bevölkerung muss geimpft werden, um ein "normales Leben" zu ermöglichen?

Dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zufolge genügt eine Immunisierung von etwa zwei Dritteln der Bevölkerung, um die Verbreitung von Corona aufzuhalten. Impfungen sollen dabei helfen, diese Durchdringung zu erreichen.

Nach Ansicht von Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung nötig. Erst dann könne sich das Virus nicht mehr gut verbreiten, sagte die oberste Impf-Expertin der WHO, Katherine O’Brien.

In Deutschland ist die Impfbereitschaft hoch. Nach einer Umfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend wollen 37 Prozent sich auf jeden Fall impfen lassen, wenn ein Impfstoff vorliegt. 34 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass sie sich impfen lassen. 29 Prozent gaben hingegen an, dass sie sich "wahrscheinlich nicht" oder "auf gar keinen Fall" impfen lassen wollen.

Mit einer ganz schnellen Rückkehr zum Leben wie vor Corona ist nach Einschätzung von Experten eher nicht zu rechnen: Vor allem in der Anfangszeit nach der Zulassung werden die Impfquoten eher niedrig sein, so dass Maßnahmen wie Hygiene und Kontaktbeschränkungen noch eine Weile an der Tagesordnung sein dürften.

Wie lange dauert es, die Menschen in Deutschland zu impfen?

Laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut sind bei 100.000 Impfungen am Tag 150 Tage nötig, um 15 Millionen Menschen zu impfen.

Matthias Schrappe, Internist an der Uni Köln, hat eine Kalkulation aufgestellt, bei der er von 60.000 Impfungen pro Tag ausgeht. Dann würde es rund tausend Arbeitstage - also vier Jahre - dauern, rund 60 Millionen Menschen in Deutschland zu impfen.

Welche Hürden gibt es noch?

Der internationale Pharmaverband IFPMA warnt vor zu großen Erwartungen. Viele Menschen dächten, die Entwicklung eines Impfstoffs sei der kritische Entwicklungsschritt, tatsächlich sei aber vor allem die Herstellung eine Herausforderung, sagte IFPMA-Generaldirektor Thomas Cueni. Rund 70 Prozent der Zeit im Herstellungsprozess seien für Qualitätskontrollen nötig. "Manche Impfstoffe haben 450 Qualitätskontrollen." Eine mögliche Knappheit von Glasfläschchen für das Abfüllen des Impfstoffs könne den Prozess auch beeinflussen.

Kann ein Geimpfter das Virus weitertragen?

Das ist noch unklar und von großer Bedeutung. Denn vor allem für den Gesundheitsbereich wäre das problematisch. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die ersten Impfstoffe, die auf den Markt kommen, zumindest verhindern, dass Menschen an Covid-19 erkranken. Es kann laut Experten jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Geimpften weiter mit dem Virus infizieren und es unbemerkt an andere weitergeben.

Insbesondere Infektionen der Atemwege seien mit Impfstoffen schwer vollständig zu blockieren, sagt Bodo Plachter, stellvertretender Direktor des Instituts für Virologie am Lehrkrankenhaus der Universität Mainz. Sie würden wohl dazu beitragen, die Menge des zirkulierenden Virus zu reduzieren. "Es kann durchaus sein, dass die Geimpften weniger Viren ausscheiden, das bremst die Pandemie," sagt er. "Es ist aber eine falsche Annahme, dass man die Pandemie allein aufgrund der Impfung wird verhindern können."

Wie lange hält die Impfung?

Auch das ist unklar, da noch keine Langzeitstudien vorliegen können, die entsprechende Antworten liefern. Es gilt als unwahrscheinlich, dass eine Impf-Immunisierung gegen Corona ein ganzes Leben lang hält. Es könnte eher sein, dass man sie wie bei der Grippe-Schutzimpfung regelmäßig wiederholen muss. Auch eine überstandene Covid-19-Erkrankung schützt womöglich nicht auf Dauer vor einer neuerlichen Infektion.

Wird es in Deutschland eine Impfpflicht geben?

Es soll in Deutschland keine Impfpflicht geben, wie Gesundheitsminister Spahn wiederholt betont hat. Sollte eine Impfpflicht - bei besserem Wissensstand über die Impfstoffe - überhaupt in Erwägung gezogen werden, dann darf dies laut Experteneinschätzung nur auf Basis schwerwiegender Gründe und bei einer präzise definierten Personengruppe stattfinden - etwa Personen, die im ständigen Kontakt mit Hochrisikogruppen sind.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. November 2020 um 09:49 Uhr.