Flüchtlinge aus Österreich Deutschland führt Grenzkontrollen ein

Stand: 13.09.2015 18:45 Uhr

Als Reaktion auf den anhaltenden Andrang von Flüchtlingen führt die Bundesregierung vorübergehend Grenzkontrollen an der Grenze zu Österreich ein. Das kündigte Innenminister de Maiziere an. Ziel sei es, "den Zustrom nach Deutschland zu begrenzen". Auch der Zugverkehr zwischen Deutschland und Österreich ist unterbrochen.

Deutschland führt angesichts des Flüchtlingszustroms nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière vorübergehend wieder Grenzkontrollen ein. Der Schwerpunkt sei zunächst die bayerisch-österreichische Grenze. Ziel sei es, "den Zustrom nach Deutschland zu begrenzen", sagte der Bundesinnenminister. "Wir brauchen einfach etwas mehr Zeit und ein gewisses Maß an Ordnung an unseren Grenzen." Dies sei auch aus Sicherheitsgründen dringend erforderlich.

Der Schritt sei in der Koalition "einvernehmlich beraten und beschlossen" worden. Österreich sei "konsultiert" worden. Dies stehe in Einklang mit dem Schengen-Abkommen zur Freizügigkeit, fügte er hinzu.

Der Bundesinnenminister forderte eine Rückkehr der EU-Mitgliedsstaaten zu den Regelungen des Dublin-Abkommens. Deutschland sei für die allermeisten ankommenden Flüchtlinge gar nicht zuständig. Auch die Asylsuchenden selbst müssten akzeptieren, dass sie sich das Land nicht einfach aussuchen könnten, das ihnen Schutz gewährt.

Bahnverkehr zwischen Deutschland und Österreich eingestellt

Die Deutsche Bahn hat den Zugverkehr zwischen Deutschland und Österreich für zwölf Stunden eingestellt. Dies sei auf Weisung der Bundesbehörden geschehen, teilte das Unternehmen mit. Der Stopp gilt demnach bis Montagmorgen um 05.00 Uhr. Auch die österreichische Bahn gab nach Angaben der Nachrichtenagentur APA bekannt, dass der Zugverkehr von Österreich seit 17.00 Uhr unterbrochen ist. In den vergangenen Tagen waren tausende Flüchtlinge mit Zügen von Österreich nach Deutschland gelangt.

Das Schengen-Abkommen

Das Abkommen von Schengen in Luxemburg beseitigte 1985 zunächst die Schlagbäume zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern. Heute gehören 26 Staaten zum "Schengen-Land", in dem keine Binnengrenzen kontrolliert werden sollen. Neben 22 der 28 EU-Ländern (alle außer Großbritannien, Irland, Zypern, Bulgarien, Rumänien und Kroatien) sind das Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz.

Die Landgrenzen dieses Schengen-Raums mit mehr als 400 Millionen Einwohnern sind mehr als 7700 Kilometer lang, die Seegrenzen knapp 42.700 Kilometer. An den Grenzen zwischen den Schengen-Staaten werden Reisende nur noch in Stichproben oder bei besonderen Ereignissen kontrolliert.

Nach Artikel 23 des Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedsland "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen ausnahmsweise wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder so lange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Die Schengen-Staaten nutzten diese Klausel zum Beispiel, um vor großen Sportveranstaltungen oder Gipfeltreffen Reisende zu kontrollieren.

Artikel 26 lässt notfalls auch eine Verlängerung der Kontrollen auf bis zu zwei Jahre zu, wenn "anhaltende schwerwiegende Mängel bei den Kontrollen an den Außengrenzen" das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden. Im Falle der Flüchtlingssituation in Griechenland muss die EU jetzt ausdrücklich feststellen, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen auch nach den ersten 30 Tagen mit Grenzkontrollen nicht funktioniert. Sollten die EU-Länder der Meinung sein, dass die EU-Außengrenzen nicht gesichert sind, kann die EU dem Antrag Griechenlands zur Verlängerung von Grenzkontrollen stattgeben.

63.000 Flüchtlinge seit Ende August in München

Am Münchener Hauptbahnhof waren am Wochenende bislang 13.000 neue Flüchtlinge angekommen. Seit Ende August waren es insgesamt etwa 63.000 Menschen. Am Samstag hatten Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter eindringlich davor gewarnt, dass München keine weiteren Flüchtlinge mehr in Notunterkünfte aufnehmen könne - die Kapazitäten seien restlos erschöpft. Gleichzeitig kritisierten sie die anderen Bundesländer, selbst nicht genügend Notunterkünfte zu schaffen und München im Regen stehenzulassen.

Diesen Vorwurf wiesen die anderen Länder zurück. "Wir stehen schon die ganze Woche an der Seite der Kollegen in Bayern", sagte ein Sprecher des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen. "Wir wissen jedoch nicht, wie lange wir das noch durchhalten." Seit der Entscheidung der Bundesregierung vor einer Woche, Flüchtlinge aus Ungarn unregistriert nach Deutschland einreisen zu lassen, haben Sonderzüge mehrere tausend der Neuankömmlinge nach Dortmund und Düsseldorf gebracht.

"Berlin ist solidarisch"

"Berlin war von Anfang an solidarisch. Wir haben immer unseren Beitrag geleistet", sagte die Sprecherin der Sozialverwaltung Regina Kneiding. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius betonte, die Landesregierung in Hannover habe "mit riesigen personellen und organisatorischen Kraftakten die entsprechenden Notunterkünfte geschaffen", um auch Bayern zu unterstützen. Er wies darauf hin, dass in Niedersachsen auch ein Drehkreuz zur Verteilung von Flüchtlingen entstehen soll. Der Bund müsse dafür sorgen, "dass die Lage nicht noch weiter ausufert".

Auch Brandenburg wolle rund 300 zusätzliche Plätze schaffen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. "Brandenburg bemüht sich nach Kräften, so viele Flüchtlinge wie möglich unterzubringen." Das Land verfüge derzeit über 3400 bis 3500 belegbare Plätze in der Erstaufnahme. "Die sind voll", sagte der Sprecher. Vorwürfe aus München über mangelnde Hilfsbereitschaft anderer Bundesländer sind nach Einschätzung des Sprechers unberechtigt. "Wir stehen in ständigem Kontakt mit München", betonte er.

Hessen will zusätzlich mehr als 1000 Flüchtlinge versorgen, wie Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir der "Frankfurter Rundschau" sagte. "Die Menschen werden jetzt einfach unregistriert mit dem Zug von München nach Frankfurt weitergeschickt", sagte er. Bereits am vergangenen Wochenende habe Hessen ähnlich unbürokratisch geholfen.

Sonderkonferenz gefordert

Angesichts der dramatisch zugespitzten Situation forderten die Regierungschefs von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, Malu Dreyer und Torsten Albig, eine Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten. Das Treffen sollte umgehend einberufen werden, sagte Dreyer der Deutschen Presse-Agentur. Nach Angaben Albigs soll das Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel noch in dieser Woche stattfinden.