Bundestag zu sicheren Herkunftsländern Alles sicher im Maghreb?

Stand: 13.05.2016 10:22 Uhr

Tunesien, Algerien, Marokko - die Maghreb-Staaten stehen künftig auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten. Ziel der Bundesregierung: weniger Asylanträge, schnellere Abschiebungen. Der Bundestag beschloss die Neuregelung am Vormittag mit klarer Mehrheit. Aber noch bleibt die Hürde Bundesrat.

Für Innenminister Thomas de Maizière ist die Sache klar: Man könne mit "guten Gründen" sagen, "dass diese Länder sichere Herkunftsstaaten sind", sagte er Mitte April, als sich der Bundestag erstmals mit dem Gesetzentwurf aus seinem Haus beschäftigte. Es geht um Tunesien, Algerien, Marokko - die Maghreb-Staaten sollen nach dem Willen der Bundesregierung auf die Liste der sicheren Herkunftsländer.

Schneller weniger Flüchtlinge

Davon verspricht sie sich viel: schnellere Asylverfahren, schnellere Abschiebungen. Denn mit der Einstufung als sichere Herkunftsländer können Asylanträge von Antragstellern aus diesen Staaten in der Regel als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden.

Und man erwartet eine Art "Abschreckungseffekt": Schon die Diskussion um die Einstufung der Länder habe zu einer "spürbaren Reduzierung bei den Neuzugängen geführt", heißt es in der Stellungnahme des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Während im Januar demnach noch 3356 Einreisen aus den Maghreb-Staaten registriert wurden, waren es im Februar nur noch 599 und im März 480.

Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten haben schon jetzt kaum Aussicht auf Asyl in Deutschland. Aus den drei Staaten wurden 2015 rund 26.000 Asylbewerber registriert, die Anerkennungsquote lag für Marokkaner laut Innenministerium aber nur bei rund zwei Prozent, für Algerien unter einem Prozent und für Tunesier bei null Prozent. "Die Menschen aus den Maghreb-Staaten kommen zum ganz überwiegenden Teil aus asylfremden Gründen nach Deutschland", verteidigte de Maizière in der "Rheinischen Post" nochmal seine Pläne. Bei ihnen müsse der Aufenthalt rasch beendet werden.

"Das sind keine sicheren Herkunftsländer. Punkt."

Der Bundestag stimmte dem Gesetzentwurf mit seiner schwarz-roten Mehrheit zu: In namentlicher Abstimmung votierten 424 Abgeordnete für die Neueinstufung, 143 dagegen. Drei Abgeordnete enthielten sich. Die Opposition ist gegen die Pläne. Die Grünen befürchten einen "Blankoscheck" für Menschenrechtsverletzungen. "Um die Menschenrechte ist es in den Maghreb-Staaten schlecht bestellt. Das sind keine sicheren Herkunftsländer. Punkt", sagte Trittin der "Saarbrücker Zeitung".

Die Linkspartei erinnerte an die Verfolgung Homosexueller in Marokko, Algerien und Tunesien. Auch Pro Asyl sowie Diakonie und Caritas warnten davor, die nordafrikanischen Staaten als sicher einzustufen. Sie sehen vor allem das Grundrecht auf individuelle Prüfung auf Asyl gefährdet.

Innenminister verspricht faire Asylverfahren

De Maizière räumte zwar auch "Defizite im Hinblick auf die Menschenrechte" ein. Und, nein, die Bundesregierung wolle nicht die Augen vor Menschenrechtsverletzungen in den Maghreb-Ländern verschließen. Sie halte die Einstufung der Staaten als sicher aber für vertretbar. Auch werde dadurch das Recht der individuellen Prüfung von Asylanträgen nicht abgeschafft. "Jeder bekommt ein faires Asylverfahren."

Thomas de Maizière

Trotz Defiziten bei Menschenrechten sind die Maghreb-Staaten sichere Länder, sagt der Innenminister.

Er sagt aber auch über Asylbewerber aus den Maghrebstaaten: "Sie wollen Arbeit, sie wollen ein besseres Leben, und leider kommen auch manche aus diesen Ländern, um hier Straftaten zu verüben." Von den 153 Tatverdächtigen, die nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht ermittelt worden seien, seien 149 Ausländer gewesen - zwei Drittel aus Algerien und Marokko, so CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer.

Knackpunkt Bundesrat

Ist die Zustimmung im Bundestag noch eine vergleichsweise einfache Angelegenheit für die Große Koalition, könnte es im Bundesrat ernsthaft knirschen. Die Länderkammer muss aber zustimmen, damit das Gesetz in Kraft treten kann. Viele Länder sind offenbar noch unentschlossen. Und durch Änderungen bei der Zusammensetzung der Länderkammer nach den Wahlen im März könnte es bei der Abstimmung über die nordafrikanischen Länder noch knapper werden als bei den Entscheidungen über Menschen aus den Balkanstaaten, mit denen 2014 und 2015 das Asylrecht verschärft worden war.

Das CSU-regierte Bayern und die von Großen Koalitionen regierten Länder, die der Einstufung aller Voraussicht nach zustimmen werden, vereinen dort 20 Stimmen. Für die absolute Mehrheit sind 35 nötig. Noch ist offen, wie sich zum Beispiel Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Frage positionieren wird. Seine Zustimmung im Bundesrat hatte 2014 die Erweiterung der Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer um drei Staaten des westlichen Balkans ermöglicht.

Es gibt zumindest Zweifel

Bei der ersten Befassung mit dem Gesetz im März hatte sich der Bundesrat nicht eindeutig positioniert. In einer Stellungnahme hieß es, die Länder begrüßten das Ansinnen, Asylverfahren zu beschleunigen. Sie verwiesen aber auf Zweifel an einer gründlichen Prüfung der Menschenrechtssituation in den Maghreb-Staaten. De Maizière gab sich dennoch optimistisch: "Ich setze hier auf die Pragmatiker bei den Grünen." Die nächste Sitzung der Länderkammer nach dem Bundestagsbeschluss ist am 10. Juni.

Doch egal, ob die Maghreb-Länder auf die Liste kommen oder nicht: In der Praxis gestalten sich Abschiebungen nach Nordafrika schwierig, vor allem wenn die Betroffenen ohne Papiere angekommen sind. Die Bundesregierung versucht, die Regierungen in Tunis, Algier und Rabat zu mehr Kooperation zu bewegen.