Die US-Demokratin Kamala Harris ist aus dem Rennen um die Präsidentschaftsnominierung ihrer Partei ausgestiegen.
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US-Wahlkampf Wie Harris verleumdet wird

Stand: 20.08.2020 15:14 Uhr

Die Senatorin Kamala Harris ist seit Jahren mit Lügen und Verleumdungen konfrontiert. Seit ihrer Nominierung zur Vize-Kandidatin der US-Demokraten wird das Gerücht gestreut, sie dürfe gar nicht kandidieren.

Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

An der Seite von Joe Biden steigt Kamala Harris offiziell ins Rennen um das Weiße Haus ein. Sie schreibt damit US-Geschichte. Noch nie zuvor hatte es eine schwarze Frau und Tochter von Einwanderern geschafft, von einer der beiden großen Parteien für ein solches Spitzenamt nominiert zu werden.

Harris bezog sich in ihrer Rede zur Nominierung auf ihre Familiengeschichte, sprach über ihren aus Jamaika stammenden Vater und die Teilnahme ihrer Eltern an Protesten der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren. Sie erwähnte zudem ihre Geburt im Oakland's Kaiser Hospital in Kalifornien, was Beobachter als mögliche indirekte Reaktion auf die vollkommen unbelegten Gerüchte werten, sie sei nicht in den USA geboren worden.

Natural born citizen

In der US-Verfassung wird festgelegt, dass die amerikanische Staatsbürgerschaft Bedingung ist, um für das Präsidentenamt zu kandidieren. Der 14. Verfassungszusatz stellte zudem die Gültigkeit des Ius Soli klar, also das Geburtsortsprinzip. Jede Person, die in den USA geboren wird, verfügt somit auch über die Staatsbürgerschaft.

No Person except a natural born Citizen, or a Citizen of the United States, at the time of the Adoption of this Constitution, shall be eligible to the Office of President; neither shall any Person be eligible to that Office who shall not have attained to the Age of thirty-five Years, and been fourteen Years a Resident within the United States.

Dennoch gab es immer wieder Debatten, wer genau als "Natural born citizen" gilt; die genaue Definition beschäftigt Juristen und Politik. So wurde 2008 darüber diskutiert, ob John McCain kandidieren dürfe, da er 1936 in der Panamakanalzone geboren worden war. Beide Eltern waren aber US-Bürger. Daher beschloss der US-Senat einstimmig, McCain dürfe antreten - einstimmig. Auch Barack Obama und Hillary Clinton stimmten dafür.

Bei Harris liegt der Fall allerdings anders: Es gibt keine Zweifel an ihrem Geburtsort in den USA. Bereits 2019 hatte Laurence Tribe, Professor für Verfassungsrecht an der Harvard Law School, die Zweifel zurückgewiesen: Er könne nicht fassen, dass es Menschen gibt, die diese "idiotischen" Kommentare verbreiten, so Tribe gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Es gebe keine Zweifel daran, dass sie kandidieren dürfe.

Trump widerspricht nicht

Dennoch bezweifelte der konservative Jurist John Eastman im Magazin "Newsweek", dass Harris Vizepräsidentin werden dürfe, weil ihre Eltern bei ihrer Geburt noch keine US-Bürger gewesen seien. Donald Trump wiederum war bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus danach gefragt worden und widersprach den Zweifeln nicht. Wenig später wurde er erneut darauf angesprochen. Er wisse nichts darüber, sagte Trump, er habe lediglich einen "schnellen Artikel" darüber gelesen. Er werde das nicht weiter verfolgen; gleichzeitig lobte er - erneut - den Autor des Textes.

Auch im Internet kursieren Behauptungen, die der Bewegung der "Birther" ähnelt. Diese hatte den Geburtsort von Ex-Präsident Barack Obama angezweifelt. Eine der prominentesten Vertreter der Legende, laut der Obama in Kenia geboren worden sein soll, war Trump selbst.

Verleumdungen

Harris ist mit weiteren Verleumdungen konfrontiert. So wurde fälschlicherweise behauptet, sie wolle die Scharia einführen. Dabei gab es keine einzige Äußerung von ihr, die dies belegen könnte, wie Faktenchecker feststellten. Auch falsche Angaben über eine angeblich manipulierte Geburtsurkunde kursieren, falsche Angaben zu angeblichen Verwandten oder zu ihrer Abstammung. Insbesondere Anhänger der QAnon-Bewegung verbreiten entsprechende Desinformation.

Die Social-Media-Unternehmen versuchen, die Welle der Desinformation einzudämmen: Auf YouTube werden entsprechende Videos mit Hinweisen auf Faktenchecks versehen. Dennoch waren laut amerikanischen Medienberichten weiterhin Videos mit gezielten Falschbehauptungen über Harris auf der Plattform zu finden. Twitter und Facebook versehen mittlerweile auch Posts von Präsident Trump mit Hinweisen.

Zudem haben sich digitale Gruppen organisiert, die sich insbesondere gegen sexistische Diffamierungen im Wahlkampf wehren wollen. Denn die Strategien hinter den Kampagnen zur Desinformation sind mittlerweile seit Jahren bekannt. Neu ist, dass in einem Wahlkampf sogar der Präsident immer wieder Behauptungen verbreitet, die längst als falsch widerlegt wurden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. August 2020 um 12:00 Uhr.