Messer an einem Tatort in Hamburg (Archivbild)
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Fragen und Antworten Strengere Regeln für Messerträger?

Stand: 14.05.2019 13:03 Uhr

Niedersachsen und Bremen wollen die Regeln für das öffentliche Tragen von Messern verschärfen. Warum? Und welche politischen Erfolgsaussichten hat das Vorhaben?

Von Eckart Aretz, Fabian Grabowsky, Konstantin Kumpfmüller und Wulf Rohwedder, ARD-faktenfinder

Was wollen Niedersachsen und Bremen?

Die beiden Landesregierungen wollen, dass "das Mitführen von Waffen und Messern in der Öffentlichkeit insbesondere an stark frequentierten Orten weiter eingedämmt" wird. Ein vollständiges Messerverbot soll laut ihrem Gesetzentwurf künftig an vielen öffentlichen Orten möglich sein. Bislang gibt es solche Verbotszonen nur an Kriminalitätsschwerpunkten.

Grund: Angriffe unter anderem mit Messern würden "weiterhin in hoher Zahl verübt", heißt es im online einsehbaren Entwurf, der allerdings keine Zahlen enthält. Weiter heißt es dort: "Sie sind besonders gefährlich und beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung."

Feststehende Messer mit einer Klingenlänge von mehr als sechs Zentimetern sollen künftig nicht mehr in der Öffentlichkeit mitgeführt werden dürfen. Der Umgang mit Springmessern jeglicher Länge soll verboten werden. Sonst drohten Beschlagnahmungen und Bußgelder, bei Springmessern sogar eine Freiheitsstrafe.

Wie sieht die Rechtslage momentan aus?

Laut Waffenrecht ist es verboten, Messer mit einer Klinge, die mit einer Hand festgestellt werden kann, oder feststehende Messer mit einer Klinge, die länger als zwölf Zentimeter ist, außerhalb der eigenen Wohnung mit sich zu führen.

Das Gesetz lässt hier aber auch Ausnahmen zu, falls es für das Führen des Messers ein "berechtigtes Interesse" gibt: Berufsausübung, Brauchtum, Sport oder wegen eines allgemein anerkannten Zwecks. Das Ziel, sich mit einem Messer zu verteidigen, ist kein berechtigtes Interesse. Grundsätzlich verboten sind Butterflymesser, Faustmesser und Springmesser mit einer Klingenlänge von mehr als 8,5 Zentimetern.

Die Landesregierungen können an bestimmten öffentlichen Ort das Mitführen von Messern verbieten oder einschränken. Voraussetzung ist aber, dass an diesem Ort bereits "wiederholt" Straftaten auch mit Waffen begangen worden sind und "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass auch künftig mit solchen Straftaten zu rechnen ist.

Gibt es überhaupt immer mehr Messerangriffe?

Wie hoch die Zahl wirklich ist und wie sie sich entwickelt hat, wird noch nicht bundesweit nach einheitlichen Kriterien erfasst.

In Niedersachsen etwa werden erst seit zwei Jahren Straftaten mit Stichwaffen in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgeführt. Im vergangenen Jahr gab es dort demnach 3754 solcher Delikte - ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2017 (3757 Fälle).

In Hessen und Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Straftaten mit Stichwaffen in den vergangenen Jahren gestiegen. In Berlin ist die Zahl annähernd stabil geblieben und in Schleswig-Holstein sogar gesunken. Eine einheitliche Entwicklung lässt sich aus den unterschiedlichen Statistiken nicht ablesen. Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) arbeiten derzeit an einer bundesweit einheitlichen Erfassung, das kann aber noch Jahre dauern.

Welche politischen Reaktionen gibt es?

Aus anderen Ländern kommen eher zurückhaltende Reaktionen. Das rheinland-pfälzische Innenministerium schrieb dem ARD-faktenfinder auf Anfrage, das Anliegen sei zwar "nachvollziehbar". Die Zahlen aus den polizeilichen Informationssystemen seien zwar "nur begrenzt belastbar", zeigten aber trotzdem, dass Messer oder andere Stichwaffen bei immer mehr Straftaten "eine maßgebliche Rolle" spielten. Wichtig sei aber auch, dass es rasch eine einheitliche Erfassung gebe, um ein bundesweit einheitliches Vorgehen zu ermöglichen. Rheinland-Pfalz werde sich für eine "umsetzungsfähige Lösungsmöglichkeit" einsetzen.

Auch das schleswig-holsteinische Innenministerium erklärte auf Anfrage, man unterstütze "selbstverständlich geeignete Maßnahmen, die nachhaltig zu mehr Sicherheit im öffentlichen Raum führen". Allerdings habe die Innenministerkonferenz eine Arbeitsgruppe zu dem Thema beschlossen. Sobald deren Bericht vorliege, werde man den aktuellen Vorschlag "im Lichte des Berichtes bewerten".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sprach sich im Bayerischen Rundfunk für eine Regelung mit Maß aus. Zwar gebe es "unübersehbar eine Zunahme von solchen Messerstechereien". Andererseits gebe es schon rechtliche Möglichkeiten, um das Mitführen von Messern zu verbieten. Auch wolle er nicht zu sehr in die Rechte der Bürger eingreifen.

Aus der Bundespolitik gibt es bislang nur wenige Stimmen: Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, lehnte die Initiative ab. Die Möglichkeit, Passanten in weiteren Verbotszonen "ohne Anlass auf das Mitführen von Waffen zu kontrollieren", stelle "unbescholtene Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht". Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner erklärte, die Migration der vergangenen Jahre habe das Problem verursacht.

Was sagen Fachleute?

Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, findet den Vorstoß sinnvoll. Berechtigte Interessen von Bürgern würden nicht beeinträchtigt, sagte er dem ARD-faktenfinder: "Mit Messern werden schwerste Straftaten mit hohem Verletzungsrisiko und massiver Gewaltbereitschaft verübt."

Oliver Malchow

GdP-Chef Malchow würde die geplante Änderung des Waffengesetzes begrüßen.

Würde das Gesetz geändert, wären laut Malchow keine weiteren Schulungen notwendig: Schon jetzt gebe es Erfahrungen mit Waffenverbotszonen, Polizisten seien im täglichen Dienst permanent Messergewalt ausgesetzt. Eine Mehrbelastung der Polizei befürchtet er durch mögliche neue Zonen nicht: "Ich sehe das als Präventivmaßnahme: Sie macht am Anfang mehr Arbeit. Wenn sich aber die Kontrollen herumsprechen, werden weniger Menschen mit Messern auf die Straße gehen und die Zahl der Straftaten mit hohem Verletzungs- und Gefährdungspotenzial zurückgehen."

Der Kriminologe Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum hingegen sagte dem ARD-faktenfinder, es gebe keine wissenschaftliche Basis für die Aussage, Straftaten mit Messern nähmen zu. Eine Änderung des Waffengesetzes sei nicht notwendig. Vorher müssten die Erfahrungen mit den bisherigen Waffenverbotszonen ausgewertet werden - "und zwar unabhängig und wissenschaftlich und nicht ergebnisorientiert durch die Polizei selbst".

Laut Feltes handelt es sich um ein gefühltes Problem: "Hier treibt die Politik wieder eine Sau durchs Dorf." Spektakuläre Einzelfälle hätten die Wahrnehmung verzerrt, eine präventive Wirkung bleibe aus.

Wie geht es weiter?

Am Freitag soll der Vorstoß Thema im Bundesrat sein. Danach beraten die dortigen Fachausschüsse darüber. Entscheidend wird es sein, wie viele der übrigen 14 Länder der Vorstoß unterstützen. Die Aussagen aus Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bayern zumindest deuten darauf hin, dass dies nicht alle uneingeschränkt tun.

Stimmt die Länderkammer mit einer absoluten Mehrheit dem Gesetzesentwurf zu, muss die Bundesregierung normalerweise dazu maximal sechs Wochen später Stellung nehmen und ihn an den Bundestag weiterleiten. Der wiederum berät dann darüber.

Die meisten Vorstöße wie jetzt von Niedersachsen und Bremen scheitern allerdings. In der 18. Legislaturperiode beispielsweise gab es nach Angaben der Länderkammer dort 106 "Anträge auf Einbringung eines Gesetzesentwurfs", nur 55 bekamen eine Mehrheit und wurden weitergeleitet - und nur neun davon wurden letztlich Bundesgesetz.