Foto des Satiremagazins "Titanic"
Hintergrund

"Bild"-Bericht über Jusos "Titanic" reklamiert Fake für sich

Stand: 21.02.2019 08:20 Uhr

Die "Bild" hatte über mögliche Russland-Kontakte der Jusos berichtet und ist damit offenbar einer Aktion des Satiremagazins "Titanic" aufgesessen. Ein Fehlverhalten erkennt sie aber nicht.

Von Wolfgang Wichmann, tagesschau.de

Der Streit um einen "Bild"-Bericht zur Juso-Kampagne gegen eine Neuauflage der Großen Koalition geht offenbar auf eine Satireaktion zurück: Das Magazin "Titanic" präsentierte sich heute als Urheber der von der "Bild" zitierten E-Mails. Der Schriftverkehr sei unter anderen von "Titanic"-Internetredakteur Moritz Hürtgen an die "Bild" lanciert worden. Es habe sich dabei um den Versuch gehandelt, "mit Copy+Paste die journalistische Qualität der "Bild" zu überprüfen".

Unter der Überschrift "Neue Schmutzkampagne bei der SPD" hatte die "Bild" über eine angebliche Verbindung von GroKo-Gegner Kevin Kühnert von den Jusos und einem vermeintlichen Geldgeber in Russland berichtet. Grundlage der Berichterstattung war ein Austausch von E-Mails, die der "Bild" zuvor zugespielt worden war.

Den Mails zufolge hatte ein Russe namens "Juri" aus St. Petersburg Kühnert Unterstützung bei der Kampagne gegen die Neuauflage der Großen Koalition angeboten. Kühnert habe diese Hilfe gerne angenommen, so der angebliche Informant. Konkret hatte "Juri" den Mails zufolge angeboten, die #NoGroKo-Kampagne der Jusos in den sozialen Netzwerken zu unterstützen - mit Social Bots und gefälschten Facebook-Accounts.

Jusos sprachen früh von Fälschung

Die SPD-Jugendorganisation Jusos hatte die Vorwürfe umgehend zurückgewiesen. Die von der "Bild" zitierten E-Mails von Kühnert seien gefälscht, sagte Juso-Sprecher Benjamin Köster. "Wir würden niemals auf solche Methoden zurückgreifen", wird Köster in der "Bild" zitiert. Und darüber hinaus sei es "technisch nicht möglich", über die im Mailverkehr genannte Adresse kevin.kuehnert@jusos.de Mails zu versenden. Als Absender-Adresse tauche bei Kühnert stets die SPD-Adresse kevin.kuehnert@spd.de auf. Der Parteivorstand der SPD stellte Strafanzeige gegen Unbekannt.

"Bild" veröffentlicht Screenshot der Server-Daten

Nach teils heftiger Kritik an der Berichterstattung veröffentlichte die "Bild" am Montag Details aus den zugespielten E-Mails, die deren Echtheit belegen sollten. In einem Screenshot wurden dabei Serverdaten veröffentlicht, die die Weiterleitung der zitierten E-Mails über Server der SPD nahelegt. Einige Informationen wurden von der "Bild" dabei unkenntlich gemacht.

Das Blatt schrieb: "Jede E-Mail verrät, von welchem Server sie verschickt wurde. Die kompromittierende E-Mail weist auf einen SPD-Server hin, von dem sie ursprünglich verschickt wurde." Dabei zitierte sie einen Experten, der den Kreis der Verfasser der E-Mails "mit hoher Wahrscheinlichkeit auf jemanden mit Zugang zu Systemen der SPD" verortete.

In ihrer heutigen Erklärung, der Urheber der E-Mails gewesen zu sein, veröffentlichte die "Titanic" nun ihrerseits die entsprechenden E-Mails - inklusive der bei der "Bild" unkenntlich gemachten Details.

"Titanic" veröffentlicht Austausch mit der "Bild"

Zudem veröffentliche die "Titanic"-Redaktion den Screenshot eines vermeintlichen E-Mail-Verkehrs mit einem Mitarbeiter der "Bild". Darin heißt es:

Wir finden die Geschichte sehr interessant. (...) Wäre es möglich, mit Ihnen zu telefonieren? Das würde helfen, die Glaubwürdigkeit der Geschichte zu überprüfen?

Dann fanden offenbar mehrere Gespräche statt, wie "Titanic"-Redakteur Hürtgen der FAZ schilderte. "Eine anonyme Mail, zwei, drei Anrufe - und 'Bild' druckt alles, was ihnen in die Agenda passt", heißt es dazu in der offiziellen Erklärung des Satiremagazins. Bei Twitter verbreitete Hürtgen derweil ein Foto und kündigte einen ausführlichen Bericht für die April-Ausgabe des Magazins an: "Getarnt mit einer falschen Brille" habe er sich als "anonymer Informant" den Fragen von drei "Bild"-Redakteuren gestellt.

"Bild" sieht eigenes Vorgehen unkritisch

Auf Anfrage des ARD-faktenfinder sah die "Bild" keinen Fehler im eigenen Vorgehen. So teilte Sprecher Christian Senft unter Verweis auf die eigene Berichterstattung mit, die Echtheit der anonym zugestellten E-Mails habe man stets deutlich in Frage gestellt und journalistisch eingeordnet. Man sei nun gespannt, ob die SPD ihre bisher eingereichte Strafanzeige gegen Unbekannt nun gegen "Titanic" richten werde. Zudem seien nicht die zugespielten E-Mails ausschlaggebend für eine Berichterstattung gewesen, sondern die Absicht der SPD, Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen:

Dies war der Auslöser für die Berichterstattung, denn das zeigt ja, dass die SPD dies ernst genommen hat, und damit klar eine Geschichte, die wir journalistisch mit allen Aspekten eingeordnet haben.

Die Jusos wollten ihrerseits das Vorgehen von "Titanic" nicht abschließend bewerten. Sprecher Benjamin Köster teilte auf Anfrage dem ARD-faktenfinder mit:

Wir haben von Anfang an gesagt, dass es sich dabei nur um Fälschungen handeln kann. Jetzt scheint es so, dass das "Titanic"-Magazin die Mails lanciert hat. Das nehmen wir erstmal so zur Kenntnis.

Vorgelegte Details ein "starkes Indiz"

Der ARD-faktenfinder ließ die von "Bild" und "Titanic" veröffentlichten Details von einem Fachmann bewerten. Demzufolge seien die von der "Titanic" veröffentlichten Informationen ein starkes Indiz dafür, dass das Satiremagazin tatsächlich im Besitz der E-Mails ist, aus denen die "Bild" zitierte. Anhand der vorliegenden Informationen müsse man davon ausgehen, dass die "Bild" einer Aktion der "Titanic" aufgesessen sei.

Durch eine Überprüfung bei der SPD sei für Ermittler zudem leicht zu klären, ob über die Mailadresse kevin.kuehnert@jusos.de nur Mails empfangen, aber nicht gesendet werden können. Wenn sich das bestätige, sei die Berichterstattung der "Bild" nicht zu halten.

Das Rechercheportal "BildBlog" hat diese Frage zumindest schon für Kühnerts Vorgängerin im Amt beantwortet: E-Mails von Ex-Juso-Chefin Johanne Uekermann kamen demnach stets von einer E-Mail-Adresse mit der Endung @spd.de.