Facebook-Logo
Hintergrund

FAQ zum Datenskandal Warum Facebook unter Druck steht

Stand: 06.04.2018 08:57 Uhr

Der Datenmissbrauch bei Facebook sorgt für Schlagzeilen - und auch für Fehler in der Berichterstattung. Was bedeutet der Skandal für das soziale Netzwerk?

Von Dennis Horn, WDR

Bisher lauten die Meldungen oft so: "Bei Facebook gab es eins der größten Datenlecks in der Geschichte des sozialen Netzwerks. Die Firma Cambridge Analytica konnte 87 Millionen Datensätze abgreifen, um damit die Wahl in den USA zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen. Als Reaktion haben Unternehmen ihre Auftritte bei Facebook gelöscht. Das soziale Netzwerk selbst reagiert auf den massiven Druck und will seinen Nutzern eine bessere Kontrolle über ihre Daten ermöglichen."

Facebook-Chef Marc Zuckerberg

Facebook-Chef Marc Zuckerberg steht nach dem Datenskandal unter Druck

Handelte es sich wirklich um ein Datenleck?

Nein. Vor fünf Jahren hat sich der Neurowissenschaftler Aleksandr Kogan bei Facebook gemeldet: Er wollte für wissenschaftliche Zwecke Daten sammeln, und zwar mit Hilfe einer App innerhalb von Facebook. Er hat dafür einen Psychotest mit dem Namen "thisisyourdigitallife" erfunden.

Wer diesen Psychotest nutzen wollte, musste Facebook dafür erlauben, Daten wie den Wohnort und die eigenen Gefällt-mir-Angaben an die App zu übermitteln. Dieser Datenübermittlung mussten die Nutzer in einem Bestätigungsfenster zustimmen. Das Problem dabei: Übermittelt wurden nicht nur Daten der Nutzer selbst, sondern auch von deren Freunden.

Diese Daten hat Aleksandr Kogan an Cambridge Analytica gegeben - und damit seinen Vertrag mit Facebook gebrochen. Um ein Datenleck handelte es sich also nicht: Erstens mussten die Nutzer ihr Einverständnis geben. Zweitens hätten deren Freunde die Datenweitergabe verhindern können, wenn sie das in ihrem Facebook-Profil eingestellt hätten.

Dem Feature, dass Drittanbieter auch Daten von Menschen abgreifen durften, die eine App gar nicht nutzten, hat Facebook im Frühjahr 2015 den Saft abgedreht - nachdem dieses Tor fünf Jahre lang offen stand. Es ist also nicht auszuschließen, dass neben dem Fall Cambridge Analytica noch weitere dieser Art auf uns warten.

Wie viele Menschen sind tatsächlich betroffen?

Vermutlich nicht alle 87 Millionen. Facebook selbst spricht von einer "eher konservativen Schätzung". Weltweit haben 270.000 Menschen die App genutzt. Rechnet man deren Freundeskreise hoch, kommt man auf bis zu 87 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, die betroffen sein könnten. In Deutschland haben laut Facebook 65 Menschen "thisisyourdigitallife" genutzt. Hier könne es bis zu 310.000 Betroffene geben.

Dennis Horn, ARD-Digital-Experte, zu den Facebook-Daten

tagesschau24 12:00 Uhr

Ist die Herausgabe von Daten nicht Facebooks Geschäftsmodell?

Diesen Vorwurf hört man immer wieder: "Facebook verkauft unsere Daten. Das ist schließlich deren Geschäftsmodell." Tatsächlich ist genau das nicht das Geschäftsmodell von Facebook - ganz im Gegenteil: Daten zu verkaufen, wäre schädlich für das Geschäftsmodell. Auch die Datenweitergabe an App-Entwickler stellt eine potenzielle Gefahr dar.

Facebook verdient Milliarden US-Dollar im Jahr mit personalisierter Werbung. Werbekunden können bei Facebook zum Beispiele eine Anzeige für Norah-Jones-Fans schalten, die zwischen 30 und 40 Jahre alt sind, männlich und in Dormagen wohnen. Auf wen das zutrifft, der bekommt die Anzeige zu sehen - aber die Werbekunden erfahren nicht, wer es ist, der die Anzeige sehen kann. Wären die Daten einmal in Umlauf, wären sie nicht mehr so wertvoll - also verkauft Facebook sie nicht.

Wurden mit diesen Daten tatsächlich Wahlen beeinflusst?

Schon Ende 2016 hatte es Cambridge Analytica in die Schlagzeilen geschafft. Damals berichtete "DAS MAGAZIN" aus der Schweiz von einem Psychologen, der eine Methode entwickelt habe, Menschen anhand ihres Verhaltens auf Facebook minutiös zu analysieren. Mit dieser Methode habe Cambridge Analytica bei der Präsidentschaftswahl in den USA Donald Trump mit zum Sieg verholfen.

Es gab allerdings auch damals schon Zweifel an dieser Darstellung. Der Artikel zog als Belege die Aussagen von nur zwei Personen heran, nämlich Erfinder und Verkäufer der entsprechenden Methoden. Er verwechselte Korrelation und Kausalität - ein beliebter Fehler im wissenschaftlichen Kontext. Und der Artikel verschwieg, dass Ted Cruz in den Vorwahlen der Republikaner in den USA Cambridge Analytica mitten in seiner Kampagne fallen ließ - offenbar, weil er mit den Ergebnissen nicht zufrieden war.

Bis heute ist nicht klar, ob Cambridge Analytica tatsächlich Wahlen und Volksabstimmungen beeinflussen konnte. Große Datenmengen zu analysieren, um Menschen gezielt ansprechen und beeinflussen zu können, ist nicht unmöglich; darauf weisen Wissenschaftler immer wieder hin. Auch Facebook hat psychologische Experimente mit Nutzern durchgeführt. Cambridge Analytica aber bleibt immer dann sehr vage, wenn es um die Frage geht, wie es seine Versprechen denn umgesetzt; einen Beweis bleibt das Unternehmen bis heute schuldig.

Welche Konsequenzen hat der Datenskandal für Facebook?

Unternehmen haben zum Teil ihre Facebook-Auftritte offline genommen oder Werbekampagnen im sozialen Netzwerk zeitweise gestoppt. Dazu gehören die Commerzbank, der Boxenhersteller Sonos oder die Mozilla Foundation, die den Firefox-Browser entwickelt. Viele Unternehmen sagen aber gleichzeitig, dass Facebook eine zu wichtige Plattform sei, um ihr dauerhaft fernzubleiben. So sehen es offenbar auch viele Nutzerinnen und Nutzer. Laut dem aktuellen ARD-DeutschlandTrend wollen die meisten von ihnen Facebook unverändert weiternutzen.

Vom Elektroautohersteller Tesla und dem Raumfahrtunternehmen SpaceX hieß es sogar, sie hätten ihre Facebook-Auftritte "gelöscht". Man kann diese aber nicht nur löschen, sondern auch zeitweise deaktivieren. Nur wenige Berichte gingen auf die Möglichkeit ein, dass man Facebook-Seiten in diesem Fall jederzeit wieder online schalten kann. Sowohl Tesla als auch SpaceX hatten rund 2,6 Millionen Fans - und ihr Chef Elon Musk, der die "Löschung" bei Twitter angekündigt hatte, ist erstens berüchtigt für seine PR-Stunts und liegt zweitens im Clinch mit Mark Zuckerberg.

Wie hat Facebook auf den Datenskandal reagiert?

Facebook hatte zuletzt erklärt, dass die Privatsphäre-Einstellungen überarbeitet werden. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Reaktion auf den Datenskandal: Facebook hatte diese Änderungen schon im Januar angekündigt. Auch, dass man die eigenen Daten nun einfacher runterladen könne, ist keine direkte Reaktion: Diese Funktion wird ab Ende Mai schlicht gesetzliche Vorgabe sein. Ab dann gilt in der Europäischen Union die neue Datenschutz-Grundverordnung.

Trotzdem nimmt Facebook eine Reihe von Punkten in Angriff: Apps von Drittanbietern sollen überprüft werden. Sie erhalten weniger Daten - und gar keine mehr, wenn sie drei Monate lang nicht mehr genutzt wurden. Ab dem 9. April sollen vom Datenskandal betroffene Nutzer im Newsfeed informiert werden. Sie werden außerdem dazu aufgefordert, auch alle anderen Apps zu überprüfen, denen sie den Zugriff auf ihren Account erlaubt haben. Facebook stellt außerdem weitere Schritte in Aussicht.

Datenweitergabe bei Facebook ist kein Einzelfall

Griet von Petersdorff, RBB, Morgenmagazin

Welche Fehler hat Facebook im Datenskandal tatsächlich gemacht?

Facebook hat es offenbar jahrelang versäumt, die Entwickler von Apps streng genug zu kontrollieren - und auch den Fall Cambridge Analytica recht formell behandelt. Dass der Wissenschaftler Aleksandr Kogan Daten an die Firma übermittelt hat, weiß Facebook seit 2015 und hat sich von beiden lediglich schriftlich versichern lassen, dass diese Daten gelöscht wurden. Kritiker werfen Facebook vor, dass das Unternehmen nicht juristisch gegen Kogan und Cambridge Analytica vorgegangen ist.

Viele Beobachter halten die Reaktion auf den Datenskandal außerdem für zu zögerlich: Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich erst mehrere Tage nach den ersten Berichten zu Wort gemeldet; die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer werden erst ab dem 9. April informiert; die Tatsache, dass bis zu 87 Millionen Menschen betroffen sein könnten, hat Facebook in seiner Pressemitteilung im vorletzten Absatz versteckt.