Politik in Österreich Desinformation und Negativkampagnen

Stand: 20.05.2019 14:41 Uhr

Der Skandal um den bisherigen Vizekanzler Strache reiht sich ein in eine ganze Serie von Affären in Österreich. Desinformation und Negativkampagnen überschatten die politische Kultur seit Jahren.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

"Der ist super beinand", erklärte der Arzt Christoph Zielinski am 31. August 2016 bei einer Pressekonferenz in Wien. "Der" - damit war Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen gemeint, der sich im Kampf um die Präsidentschaft Österreichs gegen gezielte Falschmeldungen wehren musste.

Van der Bellen hatte den Krebsspezialisten von seiner Schweigepflicht entbunden und die Ergebnisse einer wenige Tage zuvor durchgeführten Untersuchung veröffentlichen lassen. Die Befunde, laut denen keinerlei Hinweise auf bösartige Erkrankungen gefunden wurden, legte sein Wahlkampfteam Medien zur Ansicht vor.

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer im Wahlkampf 2016: Über Van der Bellen wurden Gerüchte gestreut, er leide an Krebs und Demenz.

Negativkampagne im Netz

Rechte Internetseiten hatten zuvor über die Gesundheit Van der Bellens spekuliert. Er sei dement und schwerst krebskrank, hieß es auf der Seite "Politically Incorret", die sich wiederum auf ein Schreiben bezieht, in dem behauptet wird, Van der Bellen befinde sich in einer chemotherapeutischen Behandlung. 

Medien dokumentierten, dass ein FPÖ-naher Facebook-Account die Gerüchte stark verbreitete. Dieser stammte angeblich aus Ungarn, hatte aber vor allem rechte Freunde aus Deutschland und Österreich, darunter bekannte FPÖ-Politiker.

Trotz der Kampagne gewann Van der Bellen die Stichwahl gegen Norbert Hofer, der nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache neuer FPÖ-Chef werden soll.

Skandal um dubiose Facebook-Konten

Im Jahr 2017 wurde der Wahlkampf durch einen Skandal um eine gezielte Negativkampagne überschattet. Nach Enthüllungen über eine Kampagne gegen den konservativen Spitzenkandidaten Sebastian Kurz trat der SPÖ-Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler zurück.

Der damalige SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern versuchte die Vorwürfe zu entkräften: "Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass wir mit diesen Inhalten aus diversen Schmutzkübeln nichts zu tun haben wollen." Von Seiten der Partei habe es keine Unterstützung gegeben. Das habe ihm der SPÖ-Bundesgeschäftsführer versichert. Vielmehr sei das Vertrauen der Partei missbraucht worden.

Ehemaliger SPÖ-Wahlkampfmanager unter Verdacht

Die SPÖ hatte für 536.000 Euro einen umfassenden Beratungsvertrag mit dem israelischen Kampagnen-Experten Tal Silberstein geschlossen. Er soll neben seiner offiziellen Tätigkeit die Schmutzkampagne bei Facebook organisiert haben.

Um Silberstein ranken sich nach der Veröffentlichung des Strache-Videos erneut Gerüchte. In Deutschland verwies der ehemalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in der "Bild"-Zeitung auf den "dubiosen Wahlkampfberater" hin. Ebenfalls in der "Bild"-Zeitung lenkte Kanzler Kurz den Verdacht auf den israelischen Politikberater: "Ich halte es für möglich, dass Silberstein dahinter steckt." Ähnlich hatte sich zuvor Strache geäußert.

Tal Silberstein nach seiner Verhaftung in Israel

Tal Silberstein in Israel nach seiner Festnahme wegen des Verdachts auf Geldwäsche.

Verschwörungstheorien

Strache hatte zuletzt für Aufsehen gesorgt, da er von einem "Bevölkerungsaustausch" gesprochen hatte. Dieser Begriff beschreibt eine Verschwörungstheorie, wonach Politiker im Geheimen Ausländer ins Land holen.

Aber auch österreichische Medien verbreiteten irreführende Meldungen. So berichtete die "Kronen-Zeitung" - über deren Übernahme Strache in dem Video von 2017 gesprochen hatte - von angeblich 20.000 Flüchtlingen, die die Grenze nach Kroatien durchbrechen würden. Dabei bezog sich das Blatt auf angebliche Informationen aus dem Ministerium von FPÖ-Politiker Herbert Kickl, der wegen des Skandals um Strache ebenfalls in die Kritik geraten ist.

Kickl musste sich im September 2018 zudem von einem Rundschreiben seines Pressesprechers distanzieren, in dem dieser dazu geraten hatte, die Informationsweitergabe an bestimmte Nachrichtenmedien einzuschränken.

Pressefreiheit unter Druck

Politische Diskussionen und die Berichterstattung in Österreich werden also schon seit Jahren von Affären und Skandalen überschattet. Darunter leidet auch die Arbeit der Medien in dem Land. Österreich fiel 2018 bei der Pressefreiheit von Platz elf auf Platz 16. Die verbalen Angriffe auf Journalisten hätten zugenommen - vor allem seit die FPÖ mitregiert, so Reporter ohne Grenzen.

Unmittelbar nachdem Österreich in der Rangliste nach hinten gerutscht war, folgte der nächste Medienskandal: EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky von der FPÖ drohte ORF-Moderator Wolf wegen kritischer Fragen. Wolf war bereits mehrfach von FPÖ-Politikern scharf attackiert worden.

Nach dem Skandal um das Strache-Video auf Ibiza dürfte sich die politische Rhetorik in Österreich weiter verschärfen. Der bisherige Vizekanzler sprach von einem "gezielten politischen Attentat". Tatsächlich ist noch vollkommen unklar, wer das Treffen 2017 mit der angeblichen russischen Oligarchen-Nichte organisierte und Strache dabei aufnahm.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten u.a. die tagesthemen am 19. Mai 2019 um 22:45 Uhr und tagesschau24 am 20. Mai 2019 um 11:00 Uhr.