Rauch ist in einer Straße in Khartum im Sudan zu sehen.

Konflikt im Sudan Kämpfe zwischen Armee und Paramilitärs

Stand: 15.04.2023 17:42 Uhr

Nach Spannungen zwischen Armee und Paramilitärs im Sudan werden aus der Hauptstadt Khartum Schüsse, Explosionen und mehrere Tote gemeldet. Die USA und Deutschland mahnen Bürger und Personal vor Ort, zu Hause zu bleiben.

In Sudans Hauptstadt Khartum sind Spannungen zwischen der Armee und paramilitärischen Gruppen eskaliert. Am Morgen gab es in mehreren Stadtteilen anhaltende Schüsse und Explosionen, darunter im Norden, wo sich der Flughafen und der Präsidentenpalast befinden, und im Süden der Stadt. Dort befindet sich das Hauptquartier der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF), die eigentlich in das staatliche Militär integriert werden soll.

Mindestens drei Menschen kamen nach Angaben mehrerer Nachrichtenagenturen bei den Kämpfen ums Leben. Medienberichten zufolge gab es auch in den Bundesstaaten Weißer Nil und Nord-Darfur Kämpfe.

Erbitterte Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Paramilitärs im Sudan

Ramin Sina, ARD Kairo, tagesthemen, tagesthemen, 15.04.2023 22:35 Uhr

Al-Burhan: Lage unter Kontrolle

Die RSF hatte am Morgen zunächst gemeldet, sie habe die Kontrolle über den Präsidentenpalast, die Residenz von General Abdel Fattah al-Burhan und den internationalen Flughafen der Hauptstadt Khartum übernommen. Die sudanesische Armee widersprach dem jedoch auf Twitter.

Al-Burhan warf den paramilitärischen Kräften Angriffe auf strategische Ziele vor. Auch sein Haus sei angegriffen worden, sagte er im Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig bestätigt werden. Mittlerweile ist die Lage laut al-Burhan zufolge wieder unter Kontrolle. Allerdings wurden weiterhin Schüsse und Explosionen in Khartum sowie weiteren Teilen des Landes gemeldet.

RSF-Anführer Daglo hatte zuvor in einem Interview mit Al-Dschasira gesagt, er wolle al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht bringen. Al-Burhan werde entweder gefangen genommen "oder wie ein Hund sterben", sagte er. Er gab dem Machthaber die Schuld an dem Konflikt.

Zweifel an der Bereitschaft, Macht abzugeben

Beide Seiten hatten sich in den letzten Tagen in Stellungnahmen eigentlich zu dem Übergang zu einer zivilen Regierung bekannt. Experten zweifelten aber die Bereitschaft der Generäle an, etwas von ihrer Macht abzugeben.

Osman Mirghani, der Chefredakteur der sudanesischen Zeitung "al-Tayyar", forderte einen kompletten Neuanfang des politischen Prozesses. Dabei berief er sich auch auf al-Burhan: "Er sagte, wenn wir alle scheitern, sollten wir alle von der politischen Bühne verschwinden. Und jetzt haben sie versagt. Wenn die Kugeln aus den Gewehren abgefeuert werden, heißt das: Die Politik ist gescheitert. Also müssen alle diese Parteien gehen und anderen eine Chance geben."

Warnung des Auswärtigen Amts

Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von "schweren bewaffneten Auseinandersetzungen", die auch den Flughafen Khartum beträfen. Dort sei der Flugbetrieb offenbar ausgesetzt worden, hieß es. Die Lage sei unübersichtlich. "Bleiben Sie an einem sicheren Ort und meiden Sie alle Fahrtbewegungen", mahnte das Ministerium.

Zwei Fluggesellschaften stellten angesichts der Gefechte ihre Flüge von und in den Sudan ein. Nach Angaben von Saudi Arabian Airlines war eine ihrer Maschinen - mit Passagieren und Crew an Bord - vor ihrem Abflug am Morgen durch Schüsse beschädigt worden. Berichte über Verletzte gab es nicht. Unklar war zunächst, wer die Schüsse abgeben hat. "Flüge von und in den Sudan wurden ausgesetzt, um die Sicherheit der Gäste und der Besatzung zu gewährleisten", teilte die Airline mit. Sie hatte zunächst von einem "Unfall" gesprochen.

Die staatliche ägyptische Fluggesellschaft Egyptair kündigte an, angesichts der Sicherheitslage im Nachbarland für 72 Stunden alle Flugverbindungen von und nach Khartum auszusetzen.

UN, EU und USA fordern Ende der Gewalt

Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen im Sudan, Volker Perthes, forderte eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen. Beide Seiten müssten die Sicherheit des sudanesischen Volkes gewährleisten und auf weitere Gewalt verzichten.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. "Eine Eskalation wird die Situation nur weiter zuspitzen", warnte er über Twitter. Die Sicherheit der Bürger habe die oberste Priorität.

US-Außenminister Antony Blinken rief ebenfalls dazu auf, die Kämpfe zu beenden. "Wir fordern alle Beteiligten dringend auf, die Gewalt sofort einzustellen und weitere Eskalationen oder Truppenmobilisierungen zu vermeiden und die Gespräche zur Lösung offener Fragen fortzusetzen", schrieb Blinken auf Twitter.

Die US-Regierung sei "zutiefst besorgt" über die Gewalt und in Kontakt mit der US-Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Die Botschaft hatte ihr Personal und US-Bürger zuvor dazu aufgerufen, ihre Häuser nicht zu verlassen.

Die Karte zeigt den Sudan mit Khartum.

Befürchtungen vor einem erneuten Bürgerkrieg

Erst am Donnerstag hatte die sudanesische Armee vor einer Mobilisierung der RSF gewarnt. Beobachter gingen von einer Drohgebärde des mächtigen RSF-Anführers Mohammed Hamdan Daglo gegen den Machthaber al-Burhan aus.

Seit dem Sturz von Langzeitmachthaber Omar al-Baschir nach Massenprotesten im April 2019 hält das Militär unter der Führung al-Burhans die Macht im Land. Die Eingliederung der berüchtigten RSF in das Militär ist eine der wichtigsten Bedingungen für die Bildung einer Zivilregierung. Das Militär und die RSF führten zwar im Herbst 2021 gemeinsam einen militärischen Coup an, in den vergangenen Monaten mehrten sich aber die Spannungen zwischen den beiden militärischen Anführern.

Der Streit verzögert den von al-Burhan versprochenen Übergang zu einer zivilen Regierung. Zuletzt hatte sich Daglo überraschend für einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung ausgesprochen und sich damit in Opposition zu al-Burhan gestellt.

Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD-Studio Kairo

Moritz Behrendt, ARD Kairo, 15.04.2023 13:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. April 2023 um 13:00 Uhr in den Nachrichten.