Spanische Parlamentswahl Umfragen sehen Konservative in Zeiten der Krise vorn

Stand: 20.11.2011 03:01 Uhr

Mitten in der Schuldenkrise wählt Spanien heute ein neues Parlament. Umfragen sehen einen deutlichen Sieg der Konservativen und damit einen Regierungswechsel. Deren Spitzenkandidat Mariano Rajoy dürfte damit dem Sozialisten Jose Luis Rodriguez Zapatero als Ministerpräsident folgen.

Von Reinhard Spiegelhauer, ARD-Hörfunkstudio Madrid

Ganz am Anfang galt Spanien noch als Musterknabe: jährliche Wachstumsraten von drei bis vier Prozent und ein stabiles Finanzsystem. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war sogar die Rede davon, die spanische Bankenregulierung sei vorbildlich. Regierungschef Zapatero hörte das nur allzu gern und sagte damals: "Wir können angesichts dessen, was wir in anderen entwickelten Ländern gesehen haben, festhalten, dass das spanische Finanzsystem gut reguliert und kontrolliert ist."

Tatsächlich hatten spanische Banken keine hoch riskanten Termingeschäfte getätigt - trotzdem schlitterte schließlich auch Spanien in eine zum Teil hausgemachte Katastrophe. Jahrelang hatten Spanier immer teurere Wohnungen und Häuser gekauft, und dies bei zunächst niedrigen Zinsen. Doch in den Kreditverträgen waren diese praktisch immer an einen Zinsindex gekoppelt. Als der in die Höhe schoss, konnten viele Spanier ihre Kredite plötzlich nur noch mit Mühe oder gar nicht mehr bedienen. Die Nachfrage auf dem Immobiliensektor brach schlagartig ein.

700.000 unverkäufliche Wohneinheiten

Heute sind rund 700.000 Wohneinheiten unverkäuflich - ein großer Teil davon belastete und belastet die Bilanzen von Sparkassen und Banken. Oppositionschef Mariano Rajoy, der jetzt kurz davor steht, die Wahlen zu gewinnen, legte genüsslich den Finger in die Wunde: "Im kommenden Jahr müssen wir die gewaltigen Probleme unseres Finanzsektors überwinden." Ministerpräsident Zapatero dagegen versuchte zunächst weiter, die Krise klein zu reden: "Die Eintrübung ist stärker, als gedacht."

Weil Baufirmen entweder ganz dicht machen oder zumindest massenhaft entlassen mussten, stieg die Arbeitslosigkeit rasant an. Auch die zweite Säule der spanischen Wirtschaft schwächelte plötzlich, die Tourismusbranche. Enrique Castell, Manager des größten Hotels in Benidorm, sagte: "Es ist keine Krise des Tourismussektors, sondern eine Konsumkrise. Der Absatz geht zurück. Viele Leute bleiben nur vier oder fünf Nächte statt einer Woche."

Trotz Konjunkturprogrammen, wie beispielsweise Zuschüssen zu Infrastrukturmaßnahmen oder einer Abwrackprämie für Altautos, stieg die Arbeitslosigkeit innerhalb kürzester Zeit von unter zehn auf rund zwanzig Prozent. Die Geldspritzen für die einbrechende Wirtschaft einerseits und die Arbeitslosigkeit andererseits belasteten den Staatssäckel. Spaniens Haushaltsdefizit stieg auf über elf Prozent. Es war höchste Zeit für Zapatero, die Notbremse zu ziehen. "Wie es die EU-Kommission verlangt, werden wir 2013 wieder bei drei Prozent zurück sein. Wir sind bekannt dafür, unsere Versprechen zu halten, und das werden wir tun", erklärte er.

Unbeliebte Maßnahmen wie Renten einfrieren

Viele Spanier hatten zunächst noch Verständnis für Kürzungen und Reformen - besonders, nachdem Griechenland EU-Hilfe beantragen musste. Doch mit einigen Maßnahmen machte sich die Regierung äußerst unbeliebt, zum Beispiel damit, dass sie die Renten einfror. "Wir haben doch eh schon den Gürtel enger geschnallt, mehr geht nicht!", beschwerte sich eine Rentnerin.

Oppositionschef Rajoy sprach aus, was immer mehr Spanier empfanden: "All das ist nur eine Kette von Ankündigungen, die nie aufhört, nichts ändert, und die Lage nur noch verschlimmert." Dabei hätte der Konsolidierungskurs der Regierung durchaus greifen können - wäre da nicht die Vertrauenskrise, die es für Spanien immer teurer macht, alte Schulden abzulösen und zu immer neuen Sparmaßnahmen zwang.

Das Hauptproblem aber ist die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit. Bei den unter 25-Jährigen findet fast jeder zweite keinen Job. Rund um die Regionalwahlen im Mai machten sich dann vor allem diese jungen Leute mit riesigen Demonstrationen und wochenlangen Platzbesetzungen Luft. Oft waren sie kämpferisch, aber manchmal auch resigniert. "Ich glaube an keine Regierung. Die jetzige hat es nicht gut gemacht, aber die Konservativen würden es auch nicht besser machen, das kommt aufs Gleiche raus", sagte einer der Demonstranten.

Ein Versuch, Stammwählern ins Gewissen reden

Seit Wochen versuchten die Sozialisten, diesen Eindruck zu widerlegen. Die Konservativen hätten einen noch viel massiveren Sozialabbau geplant, gäben es nur nicht zu, behauptet Ex-Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, der statt Zapatero retten soll, was noch zu retten ist. Verzweifelt versuchte er bei seinen Wahlkampfauftritten, vor allem den vielen enttäuschten Stammwählern der Sozialisten ins Gewissen zu reden, damit sie doch an die Urnen kommen. "Man muss den Leuten erklären, dass es ihre Stimme ist, die Schulen und Krankenhäuser baut, dass die Stimmen Sozialhilfe und Arbeitsplätze bringen", erklärte er. Die Gleichgültigkeit bringe nie irgendetwas hervor. Man erreiche nichts, "wenn man zuhause bleibt, dass man wählen muss, Genossinnen und Genossen - das ist die Antwort.“

Trotz des flammenden Appells wollen die Spanier in der Mehrheit den Wechsel. Herausforderer Rajoy muss auch gar nicht erklären, wie er sein Wahlversprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, eigentlich in die Tat umsetzen will. Er sagte: "Wir werden aufrichtig und verantwortungsvoll regieren, mit Mut und Entschlossenheit. Und wie auch immer das Wahlergebnis sein wird, werden wir Verbündete suchen."

Ziemlich genau das hatte der gescheiterte Ministerpräsident Zapatero vor seiner Wahl auch angekündigt.