Interview

Interview zur Situation der Helfer in Simbabwe "Sie würden uns sofort verhaften"

Stand: 24.06.2008 23:44 Uhr

Simbabwes Wirtschaft liegt brach, die Inflation ist verheerend, die Menschen hungern. Und die Hilfsorganisationen müssen tatenlos zusehen. "Wir können nicht mehr rausfahren und Nahrungsmittel verteilen", sagt Peter Hinn, Koordinator der Welthungerhilfe, im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Präsident Mugabe hat Anfang Juni die Arbeit aller Hilfsorganisationen verboten, später aber doch wieder einige zugelassen. Wie gefährlich ist es für Ihre Mitarbeiter in Simbabwe?

Peter Hinn: Wenn es unkalkulierbar gefährlich wäre, würden wir unsere Mitarbeiter sofort abziehen. Natürlich sind wir in einer Situation, in der keiner voraussagen kann, was in den nächsten Tagen und Wochen passieren wird. Aber bis jetzt gab es keine Anfeindungen von Seiten des Staates gegen unsere Organisation. Von daher sehen wir keine direkte Gefahr für unsere Mitarbeiter.

Zur Person

Peter Hinn ist Regionalkoordinator der Welthungerhilfe für Simbabwe. Er hat dort die vergangenen sechs Monate verbracht und ist nun für einen dreiwöchigen Urlaub in Deutschland. Am Freitag kehren er und seine Familie in das Land zurück.

tagesschau.de: Wie viele Mitarbeiter der Welthungerhilfe sind noch in Simbabwe?

Hinn: Für uns arbeiten dort noch fünf internationale Mitarbeiter und 50 Simbabwer. Diese Mitarbeiter stehen aber zur Zeit nicht für Pressegespräche zur Verfügung, weil wir unsere Arbeit in dem Land nicht gefährden wollen. Wir werden uns auch nicht zu politischen Sachverhalten äußern, denn das würde von der Regierungspartei als politische Einmischung verstanden.

tagesschau.de. Das heißt, die Gespräche, die Ihre Mitarbeiter vor Ort führen, werden abgehört?

Hinn: Davon kann man ausgehen. Allerdings frage ich mich, ob die Kapazitäten der Regierung überhaupt ausreichen, um die ganzen Telefongespräche abzuhören oder den E-Mail-Verkehr zu kontrollieren.

tagesschau.de: Wie sieht denn Ihre Arbeit vor Ort aus?

Hinn: Die Welthungerhilfe hat ein Regionalbüro in Harare und verschiedene Provinzbüros. Bis zu dem Arbeitsverbot, das Präsident Mugabe Anfang Juni für Hilfsorganisationen erlassen hat, konnten wir ungehindert arbeiten. Wir haben hauptsächlich landwirtschaftliche Projekte, das heißt, wir haben direkten Kontakt mit den Kleinbauern auf dem Land. Unsere Mitarbeiter sind täglich rausgefahren, haben die Bauern beraten, Seminare gegeben, mitgearbeitet und Dünger, Saatgut oder Nahrungsmittel verteilt.

"Wir können keine Nahrungsmittel mehr verteilen"

tagesschau.de: Hat sich die Arbeit in den letzten Wochen verändert?

Hinn: Ja. Unsere Büros sind zwar alle noch besetzt - sowohl in Harare als auch in den Provinzen. Aber wir können nicht mehr rausfahren, Nahrungsmittel verteilen, unserer Arbeit machen. Ich würde soweit gehen zu sagen, dass – selbst wenn jetzt nur eines unserer Autos gesichtet würde, das im Land herumfährt - dass die Polizei den Mitarbeiter dann verhaften oder zumindest verhören würde.

tagesschau.de: Was können Sie denn dann jetzt aktuell noch leisten?

Hinn: Aktuell können wir nur die Arbeiten machen, die man im Büro erledigen kann - das heißt, Projekte für die kommenden Monate planen.

tagesschau.de: "Brot für die Welt" berichtet, dass Mitarbeiter der Organisation verhaftet wurde. Gab es auch Angriffe auf Ihre Mitarbeiter?

Hinn: Bei uns gab es das nicht. "Brot für die Welt" arbeitet aber auch in einem sensibleren Bereich als wir. Die Organisation steht den Kirchen näher und arbeitet auch zum Thema Menschenrechte und da auch mit entsprechenden Partnern in Simbabwe. Wir arbeiten mit Kleinbauern. Diese Gruppe gehört in der Regel nicht zu denen, die von der Regierug überwacht werden.

"Ich bin nicht behindert worden"

tagesschau.de: Oppositionsführer Morgan Tsvangirai hat seinen Rückzug mit dem Terror des Mugabe-Regimes gegen die Opposition begründet. Mindestens 86 Menschen sollen gestorben sein. Gab es diesen Staatsterror nach Ihren Beobachtungen?

Hinn: Ich bin vor dem Arbeitsverbot viel im Land unterwegs gewesen und habe selbst nichts wahrgenommen. Ich bin auch nie von einem politischen Vertreter daran gehindert worden, mich frei zu bewegen. Auf der anderen Seite haben wir bei Treffen mit anderen Hilfsorganisationen oder von den UN immer wieder Berichte über Übergriffe auf Oppositionelle bekommen, und das scheint in den letzten Wochen stark zugenommen zu haben. Es sollen auch immer mehr Menschen aus dem Land fliehen.

tagesschau.de: ANC-Präsident Zuma spricht davon, dass die Lage in Simbabwe völlig außer Kontrolle geraten sei. Der britische Außenpolitiker Paddy Ashdown warnt sogar vor einem Völkermord. Ist so etwas tatsächlich vorstellbar?

Hinn: Das kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt zwar rivalisierende ethnische Gruppen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass zwischen diesen Gruppen so viel Hass und Aggression herrscht, dass das zu ähnlichen Zuständen führen könnte wie damals in Ruanda zwischen Hutu und Tutsi.

Das Interview führte Sabine Klein, tagesschau.de