Sorge um Scheitern des EU-Gipfels Merkel drängt Polen zu Kompromissbereitschaft

Stand: 13.06.2007 06:51 Uhr

EU-Spitzenpolitiker haben eine Daueroffensive gestartet: Sie drängen die polnische Regierung, auf dem kommenden EU-Gipfel Reformen nicht per Veto zu blockieren. Kanzlerin Merkel telefonierte am Abend mit Ministerpräsident Kaczynski.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Abend in einem Telefongespräch mit dem polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski den bisherigen Verlauf der Konsultationen vor dem Brüsseler EU-Gipfel erörtert. Das Gespräch kam auf Initiative Merkels zu Stande, sagte ein Mitarbeiter Kaczynskis der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Kaczynski habe in dem Gespräch die Suche der deutschen Ratspräsidentschaft nach einem Kompromiss innerhalb der EU begrüßt und Hoffnung auf einen Erfolg des Gipfels geäußert, hieß es. Der Bruder des Ministerpräsidenten, Staatspräsident Lech Kaczynski, soll am Samstag mit Merkel im brandenburgischen Meseberg über die EU-Reform beraten.

Merkel möchte Teile der im vergangenen Jahr gescheiterten EU-Verfassung retten. Sie strebt an, auf dem EU-Gipfel kommender Woche in Brüssel möglichst Eckpunkte für einen EU-Vertrag zu beschließen, die dann idealerweise bis Dezember von der Regierungskonferenz in einen Text gegossen werden sollen.

Wer erhält wie viele Stimmen?

Umstritten ist dabei vor allem der künftige Abstimmungsmodus in der EU. Der Verfassungsentwurf sah hier das Prinzip der doppelten Mehrheit vor - Beschlüsse erforderten demnach eine Mehrheit von 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen.

Polen, aber auch Großbritannien sowie einige kleinere EU-Staaten wie die Niederlande und Tschechien befürchten, dass dadurch das Gewicht größerer EU-Staaten und insbesondere von Deutschland zu ihren Lasten wächst. Polen plädiert deshalb für eine Stimmengewichtung, die sich aus der Quadratwurzel der Bevölkerungszahl der einzelnen Mitgliedsländer geteilt durch ihre Landesfläche berechnet. Polen mit seinen knapp 40 Millionen Einwohnern käme nach dieser Formel im EU-Rat auf sechs Stimmen, Deutschland mit seiner doppelt so großen Bevölkerung auf acht.

Veto angedroht

Kaczynski hatte vor Journalisten betont, es werde "sehr schwierig" sein, auf dem am 21. Juni beginnenden Gipfel einen Kompromiss zu erzielen. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass Polen ein Veto einlege, wenn die Verhandlungen über das künftige Stimmengewicht im Europäischen Rat nicht verlängert werden.

Zahlreiche Politiker aus der EU hatten deshalb an die polnische Regierung appelliert, kompromissbereit zu sein und Reformen der EU nicht zu blockieren. Außennminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Berlin, solche wichtigen Reformen dürften nicht an einem Land scheitern. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ermahnte die Staats- und Regierungschefs der EU, "im Geiste des Konsenses" zu dem Gipfel zu kommen. "Ein Verschieben ist keine Lösung", sagte der Portugiese.