Interview zur US-Wahl "Bush will eine Revolution"

Stand: 27.08.2007 05:55 Uhr

Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind entschieden. Überraschend aus deutscher Sicht gewinnt George W. Bush. Der sei hierzulande "völlig unterschätzt" worden, meint der Politologe Christian Hacke im Gespräch mit tagesschau.de. Der Texaner beherrsche die "Manipulation mit dem Phänomen der Angst wirklich gut".

tagesschau.de: Bush ist wahrscheinlich als Präsident wiedergewählt – muss sich die Bundesregierung jetzt warm anziehen?

Christian Hacke: Die Bundesregierung hätte sich noch wärmer anziehen müssen, wenn Kerry Präsident geworden wäre. Bei Bush können sie sich noch auf das alte Feindbild stützen. Es hängt davon ab, welchen Kurs Bush jetzt einschlägt: Entweder wird Bush noch rigider und arroganter die Anpassung des Restes der Welt an die USA fordern. Dann wird der Zug vom Neo-Hegemonialen zum Neo-Imperalen noch weiter verstärkt. Oder passt sich Bush stärker an die Forderungen der Welt an? Aber hier ist, befürchte ich, der Wunsch Vater des Gedankens.

Vergessen sie nicht: Bush glaubt, er habe einen göttlichen Auftrag. Er ist gar nicht daran interessiert, das Land zu heilen. Er hat in den vergangenen vier Jahren Politik immer aus dem Extrem heraus betrieben. Und es wäre eine Überraschung, wenn er davon abweichen würde. Reagan hat das gemacht. Der hat die Welt in der zweiten Amtszeit überrascht.

tagesschau.de: Bleibt das Thema Irak jetzt für die nächsten vier Jahre bestimmend für das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA?

Hacke: Die Fronten sind klar: Die Bundesregierung hat gesagt, sie wird sich dort nicht engagieren. Und sie hat dazu guten Grund, wir sind in Afghanistan engagiert. Und wir haben, solange der Präsident eine so schlechte Irak-Politik betreibt, allen Grund zu sagen: Nein, da sind wir nicht dabei.

tagesschau.de: In Deutschland ist George Bush als Politiker kaum vermittelbar. In Amerika hingegen hat er – nimmt man die Gesammtzahl der Stimmen zur Grundlage – sogar zugelegt. Wird der Präsident hierzulande unterschätzt?

Hacke: Bush wurde völlig unterschätzt! Das entscheidende Ereignis ist der 11. September. Das Land befindet sich im Kriegszustand. Das ist emotional ein entscheidender Faktor: ein Wahlkampf im Kriegszustand. Das haben wir zuletzt im Vietnamkrieg gehabt. Und die Möglichkeiten der Manipulation mit dem Phänomen der Angst, die beherrscht Bush wirklich gut. Mancher gutgläubige Patriot ist dem auf den Leim gegangen.

Bush ist nicht doof. Der ist nur starr und hat seinen Sendungsauftrag. Und hier kommt ein Erbe zum tragen, das Amerika seit den Gründungsvätern ausmacht: Es ist nicht nur die liberale Kultur, das Großzügige, das Lässige. Es gibt auch eine sehr selbstgefällige, sehr rigide, selbstgerechte politische Kultur. Immer religiös aufgeladen nach dem Motto: Wir sind eigentlich das auserwählte Volk. Das gibt es zurück bis zu den Gründungsvätern, wurde aber verdrängt. Wir haben über Jahrzehnte nur den sanften Hegemon erlebt.

tagesschau.de: Zum zweiten Mal hintereinander erleben wir ein ganz knappes Ergebnis in den USA – kann in Amerika ein Kandidat nicht mehr eindeutige Mehrheiten beschaffen, wie das zuvor Bill Clinton und Ronald Reagan gelungen ist?

Hacke: Im Moment haben wir die totale Konfrontation. In den USA gibt es zwei Kulturen, Stadt und Land. Liberal auf der einen Seite, gottesfürchtig auf der anderen. Kerry wäre vielleicht der Mann gewesen, der das wieder zusammen bringt. Aber Bush ist daran nicht interessiert. Der sucht die Revolution. Das ist eine revolutionäre Politik, die den Anspruch hat, dass Amerika eine neue göttliche Rolle in der Weltpolitik spielt. Dazu schafft sich Bush jetzt im Inneren die Mehrheiten. Das Schlimme ist: Das kann in der in internationalen Politik zu einer Verschärfung in der Konfrontation der Kulturen führen. Bush hat dafür jetzt das Mandat. Und wir in Deutschland sehen, wie dieser Zug an uns vorbei donnert und können nichts machen. Wir haben kein Valium zur Hand, um ihn ruhig zu stellen.

tagesschau.de: 2002 hat Rot-Grün die Bundestagswahl auch gewonnen, indem die Koalition sich mit dem Nein zum Irakkrieg gegen die Vereinigten Staaten profilierte. Kann es nicht sein, dass der Antipode Bush der Regierung Schröder auch 2006 wieder ganz nützlich ist?

Hacke: Ja, aber glatt, das ist durchaus möglich. Ich würde mich nicht wundern, wenn das genauso passieren würde. All diejenigen, die bisher gesagt haben: ‚ Man muss auch Verständnis haben für George Bush’, die sind jetzt platt gebügelt. Denen kann man jetzt sagen: ‚Wo führt das Verständnis hin? Man kann Bush nicht bremsen’. Ich persönlich muss sagen: Ich bin ratlos.

Das Gespräch führte Frank Thadeusz, tagesschau.de