Außenminister beraten in Brüssel EU ringt um Einigung über Türkei-Kurs

Stand: 11.12.2006 02:45 Uhr

Die EU-Außenminister suchen in Brüssel nach einer Einigung über das weitere Vorgehen bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Die EU-Kommission will die Verhandlungen zwar nicht stoppen, jedoch verlangsamen. Allerdings sind sich die EU-Länder auch darüber uneins.

Von Michael Becker, ARD-Hörfunkstudio Brüssel

In der Analyse ist man sich in der Europäischen Union soweit einig: Wenn die Türkei mit der EU über einen Beitritt verhandelt, dann muss sie auch alle EU-Länder anerkennen. Zypern aber erkennt sie bis heute nicht an. Hintergrund ist der Streit um den türkisch besetzten Norden von Zypern. Konkret bedeutet das, dass Schiffe und Flugzeuge aus Zypern die Türkei nicht ansteuern dürfen.

Die Türkei hatte versprochen, den Streit mit Zypern zu entschärfen, das heißt, alle ihre Häfen und Flughäfen für Zypern zu öffnen. Das ist bisher nicht passiert . Die Türkei hat ihr Versprechen bisher nicht eingelöst. Soweit die Analyse. Die Frage ist nun: Was tut man? Und da gehen die Meinungen innerhalb der EU ziemlich weit auseinander.

Brüssel hatte vorgeschlagen, der Türkei einen Dämpfer zu verpassen, die Verhandlungen über den türkischen EU-Beitritt aber nicht völlig zu stoppen: „Die Verhandlungen müssen weiter gehen, aber verlangsamt“, so der Vorschlag von EU-Erweiterungskommissar Oli Rehn. Einigen geht selbst das schon zu weit, den Briten beispielsweise. Anderen wiederum geht es nicht weit genug, zum Beispiel den Franzosen.

Drei Positionen: Merkel, Steinmeier, Stoiber

Bei den Deutschen ist das gar nicht so einfach zu sagen: Denn sogar innerhalb der Bundesregierung ist man sich nicht einig, was der richtige Kurs gegenüber der Türkei ist. Am Wochenende wurde das sehr deutlich: Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die Kanzlerin vor einer zu harten Linie gegenüber den Türken. Der Annäherungsprozess dürfe nicht innerhalb einer Woche zu Fall gebracht werden. Angela Merkel geht der Vorschlag aus Brüssel nämlich nicht weit genug. Und in München plädiert der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sogar für eine noch härtere Gangart: „Die Verhandlungen sollten komplett auf Eis gelegt werden, um der Türkei zu sagen: So kann man in Europa nicht miteinander umgehen.“

Der deutsche Außenminister ist deshalb nicht zu beneiden, wenn er heute in Brüssel gefragt wird, wie die deutsche Position gegenüber der Türkei denn aussieht. In Brüssel ist die Verwirrung ohnehin schon groß genug: Ende vergangener Woche hatte die Türkei noch versucht, im letzten Moment die Kurve zu kriegen und eine Abmahnung aus Brüssel zu vermeiden - mit einem nebulösen Kompromissangebot im Zypernstreit. Die Regierung in Ankara will nicht alle Häfen und Flughäfen für Zypern öffnen, sondern nur einen Hafen und möglicherweise auch einen Flughafen. Zudem ist das geknüpft an Bedingungen, nur an welche, das war bis zum Schluss noch immer nicht ganz klar.

Verlangsamen, aber nicht stoppen

Zwei Tage lang war die EU in höchster Aufregung, um dann am Ende doch festzustellen: „Was die Türkei jetzt vorgeschlagen hat, das reicht nicht“, so der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen. Er hat zurzeit den Vorsitz in der EU. Voraussichtlich werden die EU-Außenminister deshalb heute beschließen, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht völlig zu stoppen, sondern zu verlangsamen. So wie Brüssel es vorgeschlagen hatte. Können sie sich nicht einigen, dann wir das Problem zur Chefsache: Ab Donnerstag sind die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel.