Presseschau zu den Ergebnissen des EU-Gipfels Historischer Durchbruch oder heiße Luft?

Stand: 10.03.2007 13:06 Uhr

Die einen sind voll des Lobes für Kanzlerin Merkel, die als EU-Ratsvorsitzende alle 27 Mitgliedsländer zu einem großen Schritt gegen den Klimawandel bewegen konnte. Die anderen sagen, beim Gipfel in Brüssel sei nur heiße Luft produziert worden. Einige Kommentare aus der internationalen Presse.

Eine optimale Gipfelregie von Bundeskanzlerin Angela Merkel erkennt der Berliner Tagesspiegel: "Was die 27 EU-Staaten zuwege gebracht haben, ist ohne Zweifel eine historische Leistung. Angela Merkel hat in Brüssel gezeigt, wie mit einer Mischung aus persönlicher Überzeugungskraft, Entschiedenheit, verbindlichem Ton und der Fähigkeit zuzuhören überaus komplexe Probleme gelöst werden können." Einen kleinen Dämpfer bekommt die Chefin der Großen Koalition aber doch: "Man fragt sich, wann Angela Merkel endlich diese außenpolitische Entschlossenheit und Konsequenz auch auf die Innenpolitik überträgt."

Der Gipfel-Erfolg trage den Namen Angela Merkel, resümiert die Südwest Presse aus Ulm. "Ohne am Tabu der Franzosen in Sachen Kernkraft zu rütteln, hat sie es vermieden, dass diese Dinosauriertechnik auf die erneuerbaren Energien angerechnet wird. Sie hat die störrischen Polen ins Boot geholt und sogar den skeptischen Tony Blair für sich eingenommen. So sehen Sieger aus."

Atomkraft gut oder nicht?

Gerade in Bezug auf die Atomkraft hat die französische Zeitung L'Alsace eine ganz andere Meinung: "Dem französischen Präsidenten ist es gelungen, Atomenergie als saubere Energie einstufen zu lassen, die hilft, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren".

"De facto haben sich Frankreich und auch Tschechien mit ihrer Haltung durchgesetzt, Atomenergie auf die Seite der klimaschonenden Energieformen zu buchen", konstatiert auch Die Welt. Die Kanzlerin habe einen Kompromiss gezimmert, der in Sachen Atomenergie auch im eigenen Land neue Optionen eröffne.

Physikerin Merkel und die Naturwissenschaften

"Beim näheren Hinsehen erweist sich der Durchbruch gerademal als Bestätigung eines Teils der windelweichen Vorgaben, die die Kommission vor Wochen vorgestellt hatte", schreibt das Neue Deutschland. Vom festen Anteil erneuerbarer Energiequellen blieben nur "differenzierte nationale Gesamtziele, hinter denen sich die atomaren Vorlieben verbergen. Die atomare Option mag eine Zeitlang von Öl und Erdgas unabhängig machen, doch für die CO2-Reduktion der nächsten zwölf Jahre bringt sie praktisch nichts." Aber schließlich versagten schon bei Tempolimit und Verbrauchsobergrenzen die naturwissenschaftlichen Einsichten der Physikerin Merkel, meint die Zeitung.

"Wenn die 27 EU-Staaten etwas anderes produziert haben als Wind, dann war es vielleicht Licht", schreibt La Libre Belgique aus Brüssel. So hätten die Staats- und Regierungschefs, ergriffen von der Idee des Kampfes gegen die Klimaerwärmung, die EU-Kommission aufgefordert bis 2009 "etwas zur öffentlichen und privaten Beleuchtung vorzulegen. Also zu Straßenlaternen ebenso wie zu Nachttischlampen".

Grundsätzliche Zweifel am Klimawandel

Mit britischer Skepsis stellt The Times aus London noch grundsätzliche Fragen: "Wieso fielen nach dem Krieg die Temperaturen, obwohl doch der Kohlenstoffausstoß anstieg? Und es muss auch beantwortet werden, ob Veränderungen des Kohlenstoffniveaus Temperaturschwankungen vorausgehen oder ihnen folgen. Wissenschaftler, die solche Fragen aufwerfen, dürfen nicht verteufelt werden. Wenn Mängel in Modellvorstellungen zum Klimawandel nicht ausgeräumt werden, dann könnte dies aufstrebende Wirtschaften ermuntern, den Konsens zum Treibhausgas zu ignorieren."

Der Streit um Atomkraft und erneuerbare Energien sei nicht begelegt, sondern nur verschoben, meint der Kölner Stadt-Anzeiger. "Denn wer welche Einsparziele erreichen muss, haben die 27 Staats- und Regierungschefs wohlweislich nicht festgelegt. Mit dem demonstrativen Abschied von Glühlampen ist das Problem nicht gelöst".

Wenig optimistisch ist auch die Basler Zeitung: "Geht es um schmerzhafte Maßnahmen im eigenen Land, hat schon manchen EU-Politiker der in Brüssel gezeigte Mut verlassen."