Polnische Regierung gibt sich kompromissbereit Doppeldeutiges aus Warschau

Stand: 20.06.2007 10:03 Uhr

Die polnische Regierung fühlt sich missverstanden. Man wolle die EU-Reform nicht blockieren, hat Premier Kaczynski in einem Interview betont. Man wolle zunächst lediglich über die neue Stimmenverteilung debattieren. Doch dahinter setzte der Premier ein dickes "Aber".

Von Thomas Rautenberg, ARD-Hörfunkstudio Warschau

Mit seinem vermeintlichen Gesprächsangebot an die Europäische Union bemüht sich Polens Regierungschef Jaroslaw Kaczynski offenbar in letzter Minute, aus der Ecke des EU-Blockierers herauszukommen. Polen erwarte, dass auf dem Brüsseler EU-Gipfel zumindest eine Debatte über das System der Stimmenverteilung zugelassen wird, steckte Kaczynski die neue polnische Verhandlungslinie ab.

Zugleich warnte er davor, die polnische Kompromissbereitschaft zu überschätzen: "Wir haben keinen Plan B. Man sagt uns häufig, dass sich Polen isoliert. Dabei versucht man die Isolierung Polens – nämlich durch Deutschland. Ich wiederhole: Dem vorliegenden Vorschlag können wir keinesfalls zustimmen. Das Wichtigste für uns ist das Abstimmungssystem und damit die Lage Polens und der Polen."

Das Kleingedruckte lesen

Politische Beobachter halten die polnische Verhandlungsofferte damit für einen vergifteten Apfel. Mit Gesprächen über die Stimmengewichtung allein und ohne einen verringerten politischen Einfluss vor allem Deutschlands bei den Abstimmungen in der EU würden sich die polnischen Nationalkonservativen niemals zufrieden geben, fühlen sich die Kritiker bestätigt.

Ein Eindruck, den auch Polens Unterhändler in Vertragsgesprächen, Marek Cichocki, in der Nacht noch einmal ausdrücklich bestätigte: "Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, sind wir gern bereit, darüber zu diskutieren. Diese Debatte muss dann aber berücksichtigen, dass am Hauptargument, nämlich am gleichen Einfluss aller EU-Bürger bei den Abstimmungen, nicht gerüttelt wird."

Gegner eine Niederlage prophezeit

Auch Polens Staatspräsident Lech Kaczynski hatte gestern Abend im staatlichen Fernsehen des Landes eher zu scharfen Tönen gegriffen: Wer glaube, dass man Polen in Europa isolieren könne, werde eine Niederlage erleben, sagte Kaczynski wörtlich.

Zuvor hatte bereits EU-Ratspräsidentin Angela Merkel eine Neuverhandlung der Stimmengewichtung im EU-Vertrag mit dem Verweis ausgeschlossen, Deutschland müsse auch Rücksicht nehmen auf die 18 Staaten, die den vorliegenden Vertrag bereits ratifiziert hätten.