Wirbel um überhöhte Mietzahlungen Prellte Straßburg das EU-Parlament um Millionen?

Stand: 25.08.2007 16:30 Uhr

Hat die Stadt Straßburg seit mehr als 25 Jahren überhöhte Mieten vom EU-Parlament kassiert? Die elsässische Kommune soll Gewinne in Millionenhöhe in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, so der Vorwurf. Die Stadt weist dies zurück. Wegen des Streits verschob das EU-Parlament nun die Zustimmung für den Haushalt 2006 um mindestens sechs Monate.

Von Klaus Boffo, BR-Hörfunkstudio Brüssel

Fotogen und idyllisch am Wasser gelegen präsentieren sich die Gebäude des Europaparlaments in Straßburg: diesseits des Flusses ein Betonkonstrukt aus den 70er Jahren, auf der anderen Seite - durch eine Passerelle verbunden - ein elegant geschwungener Glaspalast. Doch der Luxus hat seinen Preis: 10,5 Millionen Euro Miete pro Jahr zahlt die EU an die Stadt Straßburg. Diese gibt den Betrag an einen Kapitalfonds weiter, der die Baukosten vorgestreckt hat. Einen Teil der Mieteinnahmen jedoch behält Straßburg für sich.

Markus Ferber, Mitglied im Haushaltskontrollausschuss des Europa, findet das nicht in Ordnung: "Wir haben Informationen, dass das Europäische Parlament für zwei Gebäude ungefähr 20 Prozent mehr an Miete bezahlt hat als die Stadt Straßburg als Grundstückseigentümerin an den Gebäudeeigentümer, einen niederländischen Pensionsfonds, weitergeleitet hat. Und deswegen muss jetzt aufgeklärt werden, ob es hier direkte Subventionen des europäischen Steuerzahlers an die Stadt Straßburg gegeben hat."

Kein Korruptionsvorwurf

Der CSU-Abgeordnete findet es zumindest merkwürdig, dass das Europa-Parlament den Mietvertrag mit der Stadt geschlossen hat und nicht direkt mit dem Eigentümer der Gebäude, einem Pensionsfonds mit Sitz in den Niederlanden. Aber wohlgemerkt: "Der Vorwurf ist nicht der der Misswirtschaft oder der Korruption, der Vorwurf ist, dass nicht wirtschaftlich mit den Geldern umgegangen wurde."

"Lange Geschichte und große Persönlichkeiten"

Offenbar wussten einflussreiche EU-Politiker seinerzeit dafür zu sorgen, dass sich die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, Straßburg zum Sitz des europäischen Parlaments zu ernennen, für die Stadt auszahlt. "Die Verträge sind in einer Zeit gemacht worden, wo das Europäische Parlament zum ersten Mal direkt gewählt wurde, 1980, zwischen der damaligen Parlamentspräsidentin Simone Veil, die spannenderweise aus Straßburg kommt, und dem damaligen Oberbürgermeister Pierre Pflimlin", erläutert Ferber. "Wir haben es hier mit einer langen Geschichte zu tun und mit großen Persönlichkeiten..."

Der Deal flog erst auf, als die Parlamentsverwaltung mit der Stadt darüber verhandelte, wie das Europaparlament vom Mieter zum Eigentümer seiner Straßburger Liegenschaften werden könnte. Da las man plötzlich in einer Lokalzeitung die leise triumphierende Notiz, Straßburg habe bei einem Verkauf der Gebäude Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 29 Millionen Euro.

"Auch die Sitzfrage spielt eine Rolle"

Bereichert sich die elsässische Kommune schamlos an Europa? Ein solcher Verdacht wäre Wasser auf die Mühlen jener, denen der monatliche Reisezirkus zwischen Brüssel und Straßburg seit jeher ein Dorn im Auge ist. Die auf höchster EU-Ebene getroffene Vereinbarung, zwei Sitze für das Europa-Parlament zu unterhalten, kostet ohnehin um die 200 Millionen Euro pro Jahr.

"Ich glaube, dass auch die Verantwortlichen der Stadt Straßburg sehen, dass neben diesen Finanzfragen auch die Sitzfrage ein Rolle spielen wird", sagt Ferber. "Und sie werden da nur aus dem Schneider kommen, wenn sie gut kooperieren und wirklich alle Fakten auf den Tisch legen." Der CSU-Parlamentarier will der EU die Haushalts-Entlastung für 2005 verweigern und so die Brüsseler Verwaltung unter Druck setzen.

Die Kaufverhandlungen über die Straßburger Gebäude wurden bereits gestoppt, ebenso die laufenden Mietzahlungen. Der Europäische Rechungshof soll eingeschaltet werden, vielleicht auch das Betrugsbekämpfungsamt OLAF. Und einige im Europa-Parlament fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.