Interview

Streit um iranisches Atomprogramm "Diplomatischer Ausgleich ist schwierig"

Stand: 07.07.2008 16:00 Uhr

Trotz militärischer Manöver über dem Mittelmeer Ende Juni: Ein Angriff Israels und der USA auf iranische Atomanlagen ist momentan nicht wahrscheinlich. Das sagt der Politologe Thränert im Gespräch mit tagesschau.de. Entspannung im Streit sei aber auch nicht in Sicht.

Trotz militärischer Manöver über dem Mittelmeer Ende Juni: Ein Angriff Israels und der USA auf iranische Atomanlagen ist momentan nicht wahrscheinlich. Das sagt der Politologe Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit tagesschau.de. Entspannung im Streit sei aber auch nicht in Sicht.

tagesschau.de: Herr Thränert, in der UNO wird ein Vorschlag diskutiert, den Nahen und Mittleren Osten zur Sperrzone für sämtliche Massenvernichtungswaffen zu machen. Das beträfe dann auch die offiziell nie eingeräumten israelischen Atomwaffen. Ist dieser Weg gangbar?

Oliver Thränert: Nicht im Moment. Ich glaube nicht, dass Israel jetzt, da es nicht sicher sein kann, was Iran und Syrien eigentlich treiben, seine "Lebensversicherung" aus der Hand gibt. Dazu müssten zunächst einmal Iran und Syrien überprüfbar  auf Nuklearwaffenoptionen verzichten.

tagesschau.de: Im Grund geht es ja beim iranischen Atomprogramm sowie dem Konflikt mit Hamas und Hisbollah stets um den Grundkonflikt zwischen Teheran und Jerusualem. Wie lässt sich die Situation diplomatisch entspannen?

Thränert: Iran und Israel sind keine "natürlichen" Rivalen. Sie haben nicht einmal eine gemeinsame Grenze. Allerdings: Hamas und Hisbollah bekämpfen Israel vom Gazastreifen und dem Südlibanon aus. Und solange Iran nicht bereit ist, auf die Unterstützung dieser Terrorgruppen zu verzichten, wird es sehr schwierig sein, zu einem diplomatischen Ausgleich zu kommen.

tagesschau.de: Wie zivil ist das iranische Atomprogramm?

Thränert: Es hat einen zivilen Aspekt. Das Atomkraftwerk in Buschehr ist eigentlich nicht dazu geeignet, Plutonium für militärische Zwecke zu entwickeln. Sehr viel problematischer sind aber die Urananreicherung und die Schwerwasserprogramme. Diese scheinen hauptsächlich darauf ausgerichtet zu sein, Atomwaffen zu bauen.

tagesschau.de: Nach dem israelischen Manöver über dem Mittelmeer ist die militärische Option wieder in aller Bewusstsein. Wie wahrscheinlich wäre ein solcher Angriff momentan?

Thränert: Zunächst einmal: Die Israelis würden eine solche Operation vermutlich nicht alleine durchführen. Anders als im Irak 1981 und in Syrien im September 2007 sind  einfach zu viele Ziele zu bekämpfen, darunter Luftabwehrstellungen und Marinebasen der Iraner. Das heißt: Die Amerikaner müssten mitmachen, wenn nicht sogar die Führung übernehmen. Damit habe ich aber noch nichts über die politische Wahrscheinlichkeit einer solchen Aktion gesagt. Denn die sehe ich im Moment nicht.

tagesschau.de: Welche Folgen hätte denn ein Angriff auf die iranischen Atomanlagen regional- und geopolitisch?

Thränert: Weitreichende Folgen: Ich gehe davon aus, dass es die Lage der US-Truppen im Irak und in Afghanistan weiter verschlimmern dürfte. Hamas und Hisbollah würden von Teheran angestachelt, weitere Terroroperationen gegen Israel durchzuführen. Weltweit wäre mit weiteren Anschlägen durch von Iran unterstützte Terrororganisationen zu rechnen. Die kleineren amerikanischen Partner in der Golfregion, etwa Bahrain, dürften die USA verstärkt um Unterstützung anrufen. Amerika müsste daher mehr militärische Präsenz in der Region zeigen, mit der Folge, dass wiederum die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Irans Militär steigen würde.

tagesschau.de: Wie wichtig ist eigentlich der Faktor Öl bei den militärischen Erwägungen?

Thränert: Eine militärische Konfrontation mit Iran würde zu einem weiteren Anstieg des Ölpreises führen, zumal Teheran versuchen dürfte, die für den Öltransport wichtige Straße von Hormuz zu sperren. Die zu erwartenden negativen Folgen für die US-Wirtschaft sowie die Weltkonjunktur beeinflussen daher das Kalkül der Regierung Bush.

Das Gespräch führte Christian Radler, tagesschau.de