Interview

Amtszeit von Präsident Ahmadinedschad endet Freude über das Ende einer Ära

Stand: 14.06.2013 00:24 Uhr

Heute wählen die Iraner den Nachfolger von Präsident Ahmadinedschad. Viele sind froh, dass dessen Ära endet, sie machen ihn für ihre schlechte Lage verantwortlich. Auf kleine Veränderungen können sie hoffen, sagt Iran-Korrespondent Martin Weiss im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Wie erleben Sie in diesen Tagen Teheran, welche Rolle spielt die Wahl?

Martin Weiss: Die Wahl spielt hier eine große Rolle - alle, mit denen man hier spricht, sind froh, dass die Ära Ahmadinedschad vorbei ist. Das politische Lager spielt dabei keine Rolle. Dass es jetzt endlich losgeht, sieht man auch an den zahlreichen und gut besuchten Wahlparties, die hier stattfinden. Also: Man fiebert schon auf diese Wahl hin.

tagesschau.de: Sie sagen, die Menschen seien froh, Ahmadinedschad loszuwerden. Wie kommt das?

Weiss: Ahmadinedschad hat es sich zum einem mit Revolutionsführer Ali Chamenei verdorben - und das ist ja der wichtigste Mann im Staat, der die Geschicke des Landes - sei es in der Außenpolitik, sei es in Sachen Atomprogramm - lenkt. Gleichzeitig werfen die Iraner Ahmadinedschad vor, dass er das Land vom Westen isoliert hat - eben durch seine Hartnäckigkeit in den Atomverhandlungen oder durch provokante Äußerungen Richtung Israel und USA. Viele meinen: Seit Ahmadinedschad an der Macht ist, geht es uns von Jahr zu Jahr schlechter.

tagesschau.de: Nun wollten mehrere Hundert für das Amt des Präsidenten kandidieren, zugelassen wurden nur sechs. Was sind das für Kandidaten?

Weiss: Von diesen sechs sind fünf Hardliner und dem System und Chamenei treu ergeben. Nur einer, der moderate Kandidat Hassan Ruhani, ist den Reformern zuzurechnen.

tagesschau.de: Bei der letzten Wahl 2009 waren ja Zehntausende Oppositionelle auf die Straße gegangen, diese sogenannte Grüne Bewegung wurde brutal niedergeschlagen. Welche Rolle spielt die Oppositionsbewegung bei der jetzigen Wahl?

Weiss: Keine, denn ihre beiden Führer, Hossein Mussawi und Mehdi Kerrubi, stehen nach wie vor unter Hausarrest. Und die Menschen, die die Proteste damals aus der zweiten oder dritten Reihe organisiert haben, sind entweder im Gefängnis oder haben das Land verlassen. Allerdings treten bei Veranstaltungen des moderaten Kandidaten Ruhani schon Sprechchöre auf, die Freiheit für Mussawi und Karrubi fordern. Und bei diesen Veranstaltungen werden violette Armbändchen verteilt. Das erinnert schon sehr an 2009 - damals wurden ja grüne Bändchen als Zeichen der Verbundenheit getragen.

tagesschau.de: Was ist denn für die Iraner das wichtigste Wahlkampfthema?

Weiss: Ganz klar die schlechte wirtschaftliche Lage. Einige Beispiele: Der Brotpreis ist in den vergangenen zwei drei Jahren auf das Doppelte gestiegen, der Liter Benzin ist heute drei Mal so teuer, die Mieten sind explodiert. Das Land ist reich an Erdöl und Erdgas und trotzdem muss der Staat viel Geld für Subventionen ausgeben. Die Iraner erwarten also vor allem eine Besserung der wirtschaftlichen Lage - und die hängt direkt zusammen mit den Sanktionen, die der Westen mehr und mehr verschärft hat. Eine Kernforderung an den künftigen Präsidenten ist also die Verbesserung der Außenwirtschaft, Kontakte zu anderen Länder, eine Annäherung an den Westen.

tagesschau.de: Was ist denn von einem Nachfolger Ahmadinedschads mit Blick auf das Atomprogramm oder die Beziehungen zum Westen zu erwarten?

Weiss: Das hängt zunächst mal natürlich davon ab, wer gewählt wird - also wie moderat der Nachfolger Ahmadinedschads sein wird. Die großen Linien der iranischen Politik werden zudem so bleiben wie sie sind - denn die werden ja von Revolutionsführer Chamenei festgelegt. Aber man ist schon auf kleine Schritte gespannt. Ali Akbar Welajati zum Beispiel, der schon mal iranischer Außenminister war, traut man durchaus zu, den Gesprächsfaden mit Washington wieder aufzunehmen. Oder Hassan Ruhani: Der hat während der Reformzeit zwischen 2001 und 2003 die Atomverhandlungen geführt. Auch ihm traut man eine Annäherung an den Westen zu. Und dem Bürgermeister von Teheran, Mohammad Bagher Ghalibaf, traut man zu, die Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen. Mit Said Dschalili als Präsident wird es wohl am wenigsten Fortschritte geben, denn er gilt als Hardliner, als Erzkonservativer und bei seinen Wahlveranstaltungen trat offen die radikalislamische Hisbollah auf.

Das Gespräch führte Jan Oltmanns, tagesschau.de

Das Interview führte Martin Weiss, BR