Auflösung des Gefangenenlagers EU debattiert über Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen

Stand: 26.01.2009 11:43 Uhr

Nicht nur in Deutschland ist man uneins, ob Häftlinge aus Guantánamo aufgenommen werden sollen. Auch in der EU gibt es keine einheitliche Position, wie die neue US-Regierung unterstützt werden kann, das Lager zu schließen. In Brüssel suchen die EU-Außenminister derweil nach einer Lösung.

Nachdem die US-Regierung signalisiert hat, dass sie die EU um die Aufnahme einiger Guantánamo-Häftlinge bitten will, beraten zur Stunde die EU-Außenminister in Brüssel über das Thema. Wie in Deutschland gibt es auch innerhalb der Europäischen Union bisher keine gemeinsame Position dazu.

Für die Aufnahme ehemaliger Guantánamo-Häftlinge spricht sich neben Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier auch sein Amtskollege aus Luxemburg, Jean Asselborn, aus. Dieser hob hervor, dass die EU-Staaten aus humanitären Gründen gefragt seien, den ehemaligen Gefangenen zu helfen. Während Österreichs Außenminister Michael Spindelegger eine Aufnahme ehemaliger Guantánamo-Insassen ausschließt, macht Portugals Außenminister Luis Amado eine europäische Lösung zur Bedingung, dass sich sein Land an einer Lösung beteiligt.

Französisches Konzept für Häftlingsaufnahme

Frankreich habe bereits in allen EU-Hauptstädten ein Konzept zur Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen verteilt, berichtet das Magazin "Der Spiegel". Das Pariser Außenamt beschreibe darin detailliert, wie dem amerikanischen Wunsch entsprochen werden könnte, Freigelassene in Europa aufzunehmen. Es gehe dabei um etwa 60 Personen, die von den US-Militärbehörden als unschuldig eingestuft werden, aber nicht in ihre Heimat zurückkehren können, weil ihnen dort weitere Verfolgung oder Folter drohen.

Es geht um unschuldige Gefangene

Auch Steinmeier hob hervor, dass es nicht darum gehe, Terroristen nach Europa zu holen. Infrage kämen jene, denen auch die Amerikaner keine Vorwürfe machten. Die Aufnahme von Unschuldigen sei "eine Frage der Glaubwürdigkeit", betonte Steinmeier im ZDF. Zuvor hatte er dem "Tagesspiegel am Sonntag" gesagt, es gebe Signale, dass der neue US-Präsident Barack Obama wegen der Aufnahme "einiger weniger" Häftlinge auch auf die Europäer zukommen werde. "Wäre es denn wirklich zu verantworten, die Auflösung von Guantánamo daran scheitern zu lassen?", fragte Steinmeier.

Schäuble warnt vor gefährlichen Islamisten

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bleibt dagegen bei seiner ablehnenden Haltung und warnte vor der Aufnahme möglicherweise gefährlicher Islamisten. "Ich vermutete ja, dass die Amerikaner nicht nur lauter Menschen nach Guantánamo verbracht haben, die nicht Anlass dafür gegeben haben", sagte er der ARD. Das hieße nicht, dass diesen eine Schuld nachzuweisen sei. Aber man müsse auch überlegen: Wenn jemand fünf Jahre in Guantánamo inhaftiert gewesen sei, sei er "wahrscheinlich noch eher gefährlicher als ohne eine solche Leidenszeit."

Jemen will "Rehabilitationszentrum" bauen

Der größte Teil der verbliebenen rund 250 Guantánamo-Häftlinge kommt aus dem Jemen. Das Land erwartet nach den Worten von Präsident Ali Abdullah Sale die Ankunft von 94 Ex-Häftlingen. Der Präsident kündigte an, für die Rückkehrer und ihre Familien ein Rehabilitationszentrum mit Schulen, Wohnungen und medizinischer Versorgung zu bauen. So solle verhindert werden, dass sie sich erneut militanten Islamisten anschließen. Kürzlich hatten zwei freigelassene Guantánamo-Insassen in einem Video erklärt, nun Mitglieder der Terrorganisation Al Kaida im Jemen zu sein.

Häftlingsdokumente unübersichtlich

Unterdessen stellen sich einer raschen Schließung des US-Gefangenenlagers bürokratische Hindernisse in den Weg. Wie die "Washington Post" berichtet, herrscht in den Häftlingsdokumenten erhebliche Unordnung. Über viele Insassen lägen keine umfassenden Unterlagen vor, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Mitglieder der neuen Regierung. Die Dokumente seien zudem über mehrere Behörden verteilt. Experten der neuen Regierung würden "die ersten Wochen und vielleicht Monate damit verbringen, in den Ecken der Bundesbehörden nach wichtigen Dokumenten zu suchen".