Krise in Griechenland "Pokerspiel auf der Titanic"

Stand: 06.11.2011 14:39 Uhr

Um den politischen Stillstand im Land zu beenden, verhandelt Griechenlands Staatspräsident Papoulias mit der Opposition über eine Regierung der nationalen Einheit. Die Chancen für eine Übergangsregierung stehen aber offenbar nicht gut. Die Medien sprechen von einem "Pokerspiel auf der Titanic". Unterdessen verdichten sich Gerüchte über einen unmittelbar bevorstehenden Rücktritt von Ministerpräsident Papandreou.

Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Das politische Klima Griechenlands ist düster - und es trübt sich täglich weiter ein. Das Referendum sollte ein Befreiungsschlag werden, doch der Schuss ging nach hinten los. Giorgos Papandreou ist noch im Amt, verfügt über eine knappe parlamentarische Mehrheit und strebt jetzt eine Koalitionsregierung an. Sein Wunschpartner ist die konservative Nea Dimokratia (ND). Deren Chef will aber nichts von dem Angebot wissen. "Wir wollen nur eins", betont ND-Chef Antonis Samaras, "zurück zur Normalität und Neuwahlen, damit wir das Land stabilisieren, sein Image reparieren und diesen Albtraum so schnell wie möglich hinter uns lassen können."

Samaras sehnt sich nach Ruhe im Sturm. Doch Neuwahlen würden die Schuldenlast von 360 Milliarden Euro nicht verschwinden lassen. Und auch nicht die harten Auflagen, die Europas Helfer an das Hilfsprogramm geknüpft haben. Damit muss jede Regierung in Griechenland irgendwie zurechtkommen.

"Zwischen Euro und Drachme"

Heute sprach Staatspräsident Karolos Papoulias mit Oppositionsführer Samaras, den eine große Sorge plagt: Papandreous Angebot könnte eine Falle für die Konservativen sein. "Wann immer wir einen Ausweg suchen, blockiert die Regierung Papandreou/Venizelos mit neuen Hindernissen", beklagt Samaras. "Jetzt sollen wir Maßnahmen zustimmen, die wir gar nicht kennen. Die wissen ja selbst nichts. Die wollen einen Blankoscheck, aber niemand kann einen Blankoscheck ausstellen."

Die Athener Zeitung "Kathimerini" titelt heute: "Sie pokern auf der Titanic". "Zwischen Euro und Drachme", so lautet die Schlagzeile des Blattes "To Vima". Die Stimmung schwankt zwischen Panik, Fatalismus und Fassungslosigkeit. Zorn auf die Politiker bricht sich Bahn. Er glaube, sagt ein Grieche, dass "das ganze politische System weg muss. Alle! Nicht nur 300 oder 3000 Politiker müssen weg. Sie sind alle verdorben." Und ein anderer antwortet auf die Frage, ob er optimistisch sei: "Wie kann ich das sein? Von denen weiß doch keiner, was er tut. Die sollten alle hängen."

 

Die ganze Nacht über sei hinter den Kulissen heftig verhandelt und diskutiert worden, berichten die Medien. Die sozialdemokratische PASOK will eine Regierung der Nationalen Rettung schmieden, doch die Bevölkerung ist skeptisch, ob das dem Land helfen würde. "Zusammenarbeit? Warum das denn? Die PASOK ist doch total abgesoffen. Soll Samaras mit dem Rest jetzt auch absaufen? Würden Sie mit jemandem zusammenarbeiten, der Sie hasst, der Sie nicht will", schimpft ein Mann. Ein anderer Grieche meint, eine Koalitionsregierung müsse die gleichen Werte teilen: "Die sind sich doch in nichts einig, da kann nichts erreicht werden." Jetzt bräuchte das Land Wahlen, damit die Regierung mit einem neuen Mandat und der Unterstützung des Volkes vorwärts gehen könne. 

Die Uhr tickt. Alle Hilfsgelder sind eingefroren. Mitte Dezember wird Griechenland zahlungsunfähig sein, wenn kein neues Geld kommt. Aber das kommt nur, wenn es eine handlungsfähige Regierung in Athen gibt.