Staatlicher Rundfunk in Griechenland geschlossen Der Sender ist verstummt

Stand: 12.06.2013 04:34 Uhr

Um kurz nach 23 Uhr wurden die Fernsehbildschirme schwarz: Alle Sender des griechischen staatlichen Rundfunks ERT stoppten ihren Betrieb. Die griechische Regierung hatte am Nachmittag überraschend bekannt gegeben, die Sender zu schließen.

Der griechische staatliche Rundfunksender ERT hat die Ausstrahlung seiner Programme eingestellt. Kurz nach 23.00 Uhr Ortszeit stoppten alle Sender ihren Betrieb und die Bildschirme wurden schwarz. Auch die Radiostationen konnten nicht mehr empfangen werden. Das griechische Finanzministerium erklärte am Abend, das Unternehmen ERT existiere nicht mehr.

Zuvor habe die Polizei die Hauptsendeantenne auf einem Berg nahe der Hauptstadt Athen ausgeschaltet, hieß es aus Gewerkschaftskreisen. "Das ist illegal", sagte der Präsident der wichtigsten Gewerkschaft der Fernsehmitarbeiter, Panagiotis Kalfagianis.

Scharfe Kritik von Gewerkschaften

Die griechische Regierung hatte die Schließung von ERT am Nachmittag überraschend noch für denselben Abend angekündigt. Sie begründete dies mit der schlechten Führung und den hohen Kosten des Senders. Der von Gewerkschaften umgehend scharf kritisierte Schritt ist auch ein Entgegenkommen an die internationalen Geldgeber, die derzeit in Athen den Stand der Reformen überprüfen.

Die Europäische Rundfunkunion (EBU) forderte die griechische Regierung auf, ihren Beschluss wieder rückgängig zu machen. Samaras solle seine Macht nutzen, um "unverzüglich diese Entscheidung zu annulieren", forderten EBU-Präsident Jean-Paul Philippot und Generaldirektorin Ingrid Deltenre in einem Brief. Zwar gebe es Sparzwänge, doch seien öffentlich-rechtliche Medien und ihre Unabhängigkeit von der Regierung ein "Herzstück demokratischer Gesellschaften". Mit dem Ende von ERT geht eine 75-jährige Ära in der Medienlandschaft Griechenlands zu Ende. Das erste staatliche Rundfunkprogramm war im Jahr 1938 ausgestrahlt worden.

Reinhard Baumgarten, R. Baumgarten, ARD Istanbul, 12.06.2013 05:32 Uhr

Mitarbeiter reagierten "schockiert"

Insgesamt sollten rund 2600 Journalisten, Techniker und Angestellte ihre Arbeit verlieren, berichteten griechische Medien. Sie sollen eine Abfindung erhalten und könnten sich bei der neuen Institution bewerben. Unklar blieb zunächst, zu welchen Konditionen.

Angestellte des Fernsehens sagten der Nachrichtenagentur dpa, sie seien "schockiert" und wollten das Zentralgebäude in der Athener Vorstadt Agia Paraskevi besetzen. Der Verband der griechischen Journalisten kündigte eine Arbeitsniederlegung an. Auch die Gewerkschaft der Staatsbediensteten ADEDY rief zum Widerstand gegen den Regierungsbeschluss auf.

Private Sender unterbrachen ihr reguläres Programm und sendeten als Zeichen der Solidarität nur Wiederholungen und Werbung.

Neue Institution mit 1000 Mitarbeitern geplant

"Es wird eine neue TV- und Radio-Institution geben", kündigte ein Regierungssprecher weiter an. Der Plan sehe vor, in den nächsten Monaten ein neues Konzept für einen kleineren staatlichen TV- und Hörfunk-Sender mit rund 1000 Mitarbeitern auszuarbeiten. Vorbild sollen die modernsten Anstalten Europas sein. Das entsprechende Gesetz solle schnell verabschiedet werden.

Geschlossen werden drei staatliche landesweit ausgestrahlte Fernsehprogramme, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme sowie 19 regionale Radiosender.

Sparprogramm muss erfüllt werden

Die Entscheidung der Regierung Antonis Samaras könnte zum Konflikt in der Koalitionsregierung führen. Die beiden kleineren Koalitionspartner lehnten die Schließung ab und beklagten sich darüber, in der Sache nicht angehört worden zu sein.

Mit der Schließung von ERT sollen offenbar Auflagen des Sparprogramms erfüllt werden. Griechenland hatte erst am Montag einen Rückschlag bei der Privatisierung von Unternehmen hinnehmen müssen: Niemand wollte die Gasfirma DEPA kaufen. Derzeit sind die Vertreter der Troika in Athen, um die Fortschritte des Landes bei der Umsetzung des Sparprogramms zu untersuchen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Juni 2013 um 20:00 Uhr.