Eric Zemmour

Eric Zemmour Er will Le Pen rechts überholen

Stand: 30.11.2021 16:35 Uhr

Sohn algerischer Juden, wegen Volksverhetzung verurteilter Publizist, jetzt Präsidentschafts-Kandidat: Eric Zemmour macht in Frankreich nicht nur unter Rechten von sich reden. Für die Regierung ist er ein Trump-Abklatsch.

Zu den Klängen der 7. Symphonie von Beethoven haben Eric Zemmours Wahlkampfstrategen einen dramatischen Countdown inszeniert. Flackerlicht in changierenden Farbtönen sollte die über Wochen aufgebaute Spannung noch ein letztes Mal steigern, bevor er endlich im Bild erscheint. In einer altmodisch anmutenden Bibliothek sitzt Eric Zemmour am Tisch vor einem Mikrofon und liest vom Blatt seine bedrohliche Bestandsaufnahme eines ehemals großen Landes im Niedergang: "Liebe Landsleute, seit Jahren umklammert, erdrückt, verfolgt euch ein seltsames und stechendes Gefühl, ein Gefühl der Enteignung."

Die Szenerie erinnert an das Bild von General De Gaulle vor dem Mikrofon, wie er 1940 von London aus die Franzosen zum Widerstand gegen die Deutschen aufruft. Zemmour sieht die Franzosen einem anderen Feind gegenüber - der angeblichen Überfremdung: "Sie sind nicht umgezogen, und doch haben sie das Gefühl, nicht mehr zu Hause zu sein. Sie haben Ihr Land nicht verlassen, aber es ist, als hätte Ihr Land Sie verlassen. Sie fühlen sich fremd in Ihrem eigenen Land. Sie sind im inneren Exil."

Sein Ziel: Minderheiten die Macht nehmen

Szenen von Gewalt, Sucht, Verrohung untermalen Zemmours Ausführungen: "Die Rechte und die Linke haben ihnen verschleiert, wie tief wir schon abgestiegen sind, haben Ihnen verheimlicht, dass wir bereits als Volk ersetzt werden", behauptet er. Karikaturhaft schließen sich Bilder eines längst vergangenen Frankreich an, das groß, stark, schön und friedlich gewesen sei - das Land, das Zemmour wiederauferstehen lassen will.

Wie genau, das beantwortet er in seinem Wahlkampf-Eröffnungsvideo nicht. Er belässt es bei allgemeinen Aussagen: Er wolle den Minderheiten die Macht nehmen, die die Mehrheit der Gesellschaft gängelten.

Zemmour, der Sohn jüdischer, algerischer Einwanderer und langjähriger Journalist der konservativen Tageszeitung "Le Figaro", hat mit seiner außergewöhnlichen Kandidatur-Bekanntmachung überrascht. Den Weg über einen Youtube-Kanal zu wählen, ist modern; die Inszenierung seines Vortrags hingegen konservativ, die bildliche Untermalung seiner Ausführungen plakativ.

"Das alles zielt eindeutig auf den ersten Wahlgang ab", analysiert Bernard Sananès vom Meinungsforschungsinstitut ELABE. "Er will nach den zuletzt stagnierenden Umfragewerten Wähler mobilisieren - und zwar entweder die von der Kandidatin rechts außen, Marine Le Pen, oder die von den konservativen Republikanern."

Stinkefinger statt Gesprächsbereitschaft

Denn nur, wenn er zunächst im rechten Lager die meisten Stimmen auf sich vereinen kann, hat er eine Chance, in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen einzuziehen. Ob der rechtsnationalistische und wegen Volksverhetzung verurteilte Zemmour dann auch gemäßigte Konservative für sich gewinnen kann, wird auch davon abhängen, wie Zemmour weiter vorgeht.

Zuletzt rutschte er in den Umfragen wieder hinter seine Rechtsaußen-Konkurrentin Marine Le Pen. In London und Genf verwehrte man ihm Auftritte in bereits gebuchten Sälen. Und die Gerüchte, dass Sahara Knafo, die mehr als 30 Jahre jüngere Lebensgefährtin und Wahlkampfmanagerin des dreifachen verheirateten Vaters schwanger sei, dürfte die katholische Wählerschaft verschrecken.

Bei seinem jüngsten Besuch in Marseille kam er mit niemandem ins Gespräch, stattdessen zeigte er einer Demonstrantin, die ihm den Mittelfinger gezeigt hatte, ebenfalls den Stinkefinger.

Eine Frau zeigt dem im Auto sitzenden Eric Zemmour den Mittelfinger.

Geschehen in Marseille: Eine Frau zeigt Eric Zemmour den Mittelfinger ...

"Trump bei Wish bestellt"

Eine willkommene Entgleisung für Regierungssprecher Gabriel Attal: "Wenn man politische Verantwortung trägt, und Präsident der Französischen Republik werden will, zeigt man den Leuten nicht den Stinkefinger", sagte er dazu. Zemmour bezeichne sich selbst immer wieder als französischen Donald Trump - "Aber er ist allenfalls ein Trump, der auf der Billigplattform Wish bestellt wurde."

Nun wird es für Zemmour darauf ankommen, ein Programm auszuarbeiten, das auch andere Themen als Immigration und Sicherheit umfasst und eine positive Vision der Zukunft Frankreichs bietet. Und darauf, dass er die für eine offizielle Kandidatur vorgeschriebenen Patenschaften von insgesamt 500 gewählten Volksvertretern zusammenbringt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 im Hörfunk am 30. November 2021 um 16:51 Uhr.