An der Küste in Marokko steht ein Wolkenfänger Gestell.
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Klimakrise Wolkenfänger gegen Dürre

Stand: 26.11.2023 11:30 Uhr

Netze, die auf Bergen Wassertropfen aus vorbeiziehenden Wolken fangen: eine Idee im Kampf gegen Dürre. Auf den Kanarischen Inseln und in Marokko gibt es vielversprechende Projekte.

Wenn Netze am marokkanischen Mount Boutmezguida Wolken winzige Wassertropfen abringen, entsteht eine große Geräuschkulisse. Kräftiger Wind drückt auf dem gut 1.200 Meter hohen Berg Wolkenfetzen durch an Stahlträgern befestigte Netze.

Es faucht und zischt. Dann bilden sich kleine Tropfen an dünnen Kunststofffäden. Sie kullern an dem Gewebe nach unten, verbinden sich mit anderen Tropfen und fallen schließlich in eine Regenrinne. Rund 37.000 Liter Wasser kommen so durchschnittlich in einer wolkenreichen Nacht zusammen. Etwa 90 davon gibt es im Jahr.

Wolkenfänger: Kampf gegen die Dürre

Sebastian Kisters, ARD Madrid, Weltspiegel, 26.11.2023 15:00 Uhr

Wassertropfen: dick wie ein Haar

Hier, gut 30 Kilometer vom Atlantik entfernt, seien die Bedingungen für Wolkenfänger ideal, sagt Peter Trautwein. Weil der Wind meist mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 40 Kilometern pro Stunde wehe. "Und weil die Wassertropfen an dieser Stelle 20 bis 40 Mikrometer groß sind. Das entspricht ungefähr dem Querschnitt eines Haares." Tropfen dieser Größe ließen sich von den Netzen besonders gut fangen.

Nadeln hängen in Reihen im Wolkenfänger Netz.

Auf Gran Canaria experimentieren Forschende auch mit Wolkenfängern, die Nadelbäumen nachempfunden sind. 570 Liter Wasser lassen sich damit im Jahr pro Quadratmeter gewinnen.

Trautwein ist Industriedesigner. Er hat in seinem Leben Skistiefel und Tennisschläger entworfen. An seinem 50. Geburtstag verspürte er dann den Wunsch, mal etwas ganz anderes zu entwickeln, "etwas, das Menschen wirklich nützt".

So landete er - am Rand der Sahara - in einer staubtrockenen Gegend in Marokko und experimentierte hier zwei Jahre lang mit der Technischen Universität München an Netzen, die Wassertropfen fangen. Deutsche Stiftungen und das Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung finanzierten das Projekt.

16 Dörfer leben von Wolkenwasser

In diesem Jahr war Peter Trautwein zum ersten Mal nach dem Aufbau der Wolkenfänger 2018 wieder am Mount Boutmezguida, um zu sehen, ob die Netze halten, was er sich davon versprochen hat. Und tatsächlich: Rund 1.000 Menschen in 16 Dörfern leben von dem am Berg gewonnenen Wasser aus durchziehenden Wolken. Stünden ihnen die Wolkenfänger nicht im Weg, würden die Wolken weiter Richtung Sahara ziehen und verdunsten. Regen gibt es in der Region oft nur ein, zwei Mal im Jahr. Die marokkanische Organisation Dar Si Hmad kümmert sich nun um die gerechte Verteilung des Wassers, das mit Rohren direkt zu Häusern und Hütten geleitet wird.

Vor allem das Leben von Mädchen hat sich hier verändert. Meist waren sie es, die morgens Wasser für die Familien holen mussten. Stunden verbrachten sie an Brunnen und auf dem Weg dorthin. Jetzt haben viele Zeit, lesen und schreiben zu lernen. Die 17-jährige Hasna sagt, mit den Wolkenfängern habe die Zeit des Leidens ein Ende. "Wir müssen uns nicht mehr furchtbar anstrengen. Und nicht mehr darüber nachdenken, wo man Esel oder Gefäße zum Wassertragen herbekommt."

Im Netz sammeln sich Wassertropfen.

An winzigen Kunststofffäden bleiben Tropfen aus vorbeiziehenden Wolken hängen. Einige Dörfer werden mit dem Wasser bereits versorgt.

Dürre Thema auf Klimakonferenz

Zunehmende Dürre wird wohl eines der Top-Themen auf der am Donnerstag beginnenden UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai sein. Zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und die Situation dürfte sich verschärfen.

Der Weltklimarat geht davon aus, dass Nordafrika in diesem Jahrhundert rund 50 Prozent des verfügbaren Oberflächenwassers verloren geht. Ähnliche Prognosen gibt es auch für Spanien. Studien sagen, dass bis zu 75 Prozent Spaniens Versteppung drohe.

Wassermangel ist in Spanien auch jetzt - im November - noch ein großes Problem. Im Süden des Landes gibt es Dörfer, die seit Ostern mit Tanklastern beliefert werden. Aus den Leitungen kommt seitdem kein trinkbares Wasser mehr. Die Erforschung alternativer Wasserquellen ist deshalb auch auf der Iberischen Halbinsel ein Thema.

Wolkenfänger Testnetze

Die Klimatologin Victoria Marzol erforscht auf Teneriffa, welche Netz-Typen am effektivsten Wassertropfen aus vorbeiziehenden Wolken gewinnen.

Aufforstung auf Gran Canaria

Die Europäische Union fördert das Projekt "Life Nieblas", um mehr über das Potenzial von Wolkenfängern zu erfahren. Im Norden Gran Canarias ist es Forschenden gelungen, Zehntausende Liter Wasser pro Jahr aus vorbeiziehenden Wolken zu fangen. Sie verwenden dabei schlichtere Netze als in Marokko. Aber das Ziel ist auch bescheidener. Auf der Kanareninsel wird das Wasser erfolgreich genutzt, um ein abgebranntes Waldgebiet wiederaufzuforsten.

In dem Buch "Unconventional Water Resources" fordern Wissenschaftler, über die Nutzung ungewöhnlicher Wasserquellen nachzudenken. Einer ihrer Vorschläge: Wolkenfänger.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der "Weltspiegel" am 24. November 2023 um 15:00 Uhr.