Avril Haines bei einer Anhörung in einem Ausschuss des US-Senats zum Krieg in der Ukraine.

Einschätzung der US-Dienste Kein schneller Frieden für die Ukraine

Stand: 10.05.2022 18:58 Uhr

Die US-Geheimdienste rechnen mit einem langen Krieg in der Ukraine - selbst bei einem Sieg Russlands im Donbass. Putin setze darauf, dass die Entschlossenheit des Westens im Laufe der Zeit schwinden werde.

Ein eventueller russischer Erfolg im Donbass würde nach Auffassung der amerikanischen Geheimdienste wahrscheinlich nicht das Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeuten. Der russische Präsident Wladimir Putin bereite sich auf einen längeren Konflikt in der Ukraine vor, in dessen Verlauf er immer noch beabsichtige, Ziele zu erreichen, die über die Ostukraine hinausgingen, sagte US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines bei einer Anhörung des Senats in Washington.

"Wir gehen davon aus, dass sich die strategischen Ziele Putins wahrscheinlich nicht geändert haben", so Haines. Die Verlagerung der russischen Streitkräfte in den Donbass sei wohl nur vorübergehend.

Beide Kriegsparteien setzen auf Sieg

"Da sowohl Russland als auch die Ukraine glauben, dass sie militärisch weiter vorankommen können, sehen wir zumindest kurzfristig keinen gangbaren Verhandlungsweg", sagte Haines. Putin rechne wahrscheinlich auch damit, dass die Entschlossenheit der USA und der EU angesichts von Inflation und Lebensmittelknappheit nachlasse.

Weitere Eskalation befürchtet

Haines warnte außerdem vor einer Eskalation des Konflikts. Die Ungewissheit des Kampfes, der sich zu einem Zermürbungskrieg entwickele, bedeute in Verbindung mit dem Missverhältnis von Putins Ambitionen und den militärischen Fähigkeiten Russlands einen "unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden Kurs" in den kommenden Monaten.

Die aktuelle Lage in der Ukraine: Russische Angriffe gehen unvermindert weiter

Mathea Schülke, WDR, Morgenmagazin

"Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet, einschließlich der Verhängung des Kriegsrechts, der Umorientierung der Industrieproduktion oder potenziell eskalierenden militärischen Optionen", sagte die US-Geheimdienstdirektorin vor dem Streitkräfte-Ausschuss des US-Senats.

Haines erwartet keinen Atomangriff

Haines betonte, dass die USA immer noch der Ansicht seien, dass Moskau auch künftig eine "nukleare Rhetorik" einsetze, um die USA und den Westen davon abzuhalten, die Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass Präsident Putin den Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlich nur dann genehmigen würde, wenn er eine existenzielle Bedrohung für den russischen Staat oder das russische Regime wahrnehmen würde", sagte Haines.

Die USA und EU-Staaten unterstützen die Ukraine in dem Krieg mit umfangreichen Waffenlieferungen. Russland hatte das Nachbarland im 24. Februar angegriffen. Inzwischen konzentrieren sich die Kämpfe auf den Süden und Osten der Ukraine.

Julia Kastein, Julia Kastein, ARD Washington, 06.05.2022 06:26 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten Deutschlandfunk am 06. Mai 2022 um 12:41 Uhr und das ARD-Morgenmagazin am 11. Mai 2022 um 05:38 Uhr.