Ein Kreuzfahrtschiff liegt in einem norwegischen Fjord.
europamagazin

Tourismus in Norwegen Dieselfreie Fjorde - in drei Jahren

Stand: 13.11.2023 12:49 Uhr

Ab 2026 will Norwegens Regierung keine dieselbetriebenen Kreuzfahrtschiffe mehr in den Geirangerfjord einfahren lassen. Was Klima- und Umweltschutz dienen soll, kommt manchen im Tourismusbetrieb zu plötzlich.

Majestätische Berge, wilde Wasserfälle, tiefblaue Fjorde: Norwegens Westküste zieht Touristen aus der ganzen Welt an. Die meisten von ihnen kommen mit dem Kreuzfahrtschiff. Frank-Ole Bonsaken kümmert sich darum, dass die riesigen Stahlkolosse im kleinen Hafen von Geiranger festmachen können.

"Sie kommen jeden Tag", ruft der Hafenkapitän, als er die dicken Taue des Schiffs an einer Ankerboje im Fjord festmacht. "Das ist schon Nummer 102 in diesem Jahr." Der Norweger ist in Geiranger auf dem Bauernhof seines Großvaters groß geworden. Doch mit Landwirtschaft lasse sich kaum Geld verdienen, sagt er. Deshalb stören ihn die vielen Touristen nicht, im Gegenteil: "Das Vertäuen oder die Touristen herumfahren, das schafft Jobs. Für viele sind die Schiffe und die Gäste an Bord eine Lebensgrundlage."

Das Schiff ist festgemacht. Und dann kommen sie: 6.000 Touristen, die sich entlang der Souvenirläden und Restaurants bis zu den Aussichtspunkten im Hinterland schieben. Übers Jahr kommen rund 400.000 Kreuzfahrttouristen in den winzigen Ort. Doch Norwegens Regierung will den Ansturm verringern. Vor allem die Abgase voller Kohlendioxid, Ruß und Stickoxiden wollen sie verbieten.

Norwegens Außenminister und früherer Umweltminister Espen Barth Eide erklärt, warum: "Kreuzfahrtschiffe verursachen weltweit die höchsten Emissionen pro Passagier und zurückgelegter Strecke. Sie verunreinigen unsere Fjorde. Deshalb haben alle Parteien im norwegischen Parlament beschlossen, dass hier überhaupt keine Emissionen mehr entstehen dürfen."

Umweltfreundlichere Kreuzfahrtschiffe in Norwegen

Christian Blenker, ARD Stockholm, 13.11.2023 11:33 Uhr

Ist LNG-Antrieb die Lösung?

Keine Emissionen in nur drei Jahren: Für die Branche ist das eine ziemliche Herausforderung. Denn die meisten Kreuzfahrtschiffe fahren noch mit Diesel. Nur wenige kommen ohne aus - wie die "MSC Euribia". Michaele Francioni ist aus der Firmenzentrale in Genf gekommen und zeigt stolz die Schiffsmotoren, die mit Flüssigerdgas LNG laufen.

"Es ist ein großer Schritt nach vorn", erklärt der Manager, der die Kreuzfahrten in seinem italienischen Unternehmen optimieren soll. "Zum ersten Mal verwenden wir einen Kraftstoff, der gekühlt ist. Das gibt uns die Möglichkeit, in Zukunft auch andere alternative Kraftstoffe zu verwenden, die weniger Kohlendioxid ausstoßen - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Emissionsfreiheit."

LNG statt Schiffsdiesel, das bedeutet deutlich weniger Abgase. Auch beim Hotelbetrieb sparen sie Energie, gibt das Unternehmen an: Heizungen und Pool werden durch die Schiffsmotoren erwärmt. Das hochmoderne Schiff ist der Stolz der Flotte. Der Bau hat rund eine Milliarde Euro verschlungen.

Doch Norwegens Regierung reicht die LNG-Technik noch nicht. "Wenn sie in unsere Fjorde kommen wollen, haben sie auf das falsche Pferd gesetzt", sagt Außenminister Espen Barth Eide. LNG sei weit davon entfernt, emissionsfrei zu sein und würde den CO2-Ausstoß nur um 20 bis 25 Prozent verringern.

Ein Kreuzfahrtschiff liegt in einem norwegischen Fjord.

In der Hochsaison befahren drei Schiffe am Tag den Geirangerfjord - ein Spektakel mit Folgen für Klima und Umwelt.

"Das kam alles sehr plötzlich"

Ohne schädliche Abgase geht es bislang nur mit deutlich kleineren Schiffen in den Fjord, die mit Elektroantrieb fahren. Die Akkuleistung der riesigen Batterien reicht allerdings nur für vier Stunden. Die restliche Zeit fahren auch diese Schiffe mit LNG-Flüssiggas.

Die Ansätze für eine grünere Kreuzfahrt sind da, aber noch nicht ausgereift. Wenn Norwegens Regierung weiter hart bleibt, werden in wenigen Jahren deutlich weniger Touristen nach Geiranger kommen. Das werden sie hier zu spüren bekommen, glaubt Hafenkapitän Frank-Ole Bonsaksen: "Wir sind uns bewusst, dass wir etwas für die Umwelt tun müssen. Aber das ist alles sehr plötzlich gekommen. Ich kann mir die Folgen kaum ausmalen. Aber ich habe Angst, dass wir, die wir hier leben, unsere Lebensgrundlage verlieren."

Der Hafenkapitän und viele Bewohner des Geirangerfjords hoffen deshalb auf eine Übergangszeit.

Diese und weitere Reportagen lief am Sonntag, 12.11.2023 um 12:45 Uhr im "Europamagazin".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Europamagazin am 12. November 2023 um 12:45 Uhr.