Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, ist während einer Gerichtsverhandlung per Video aus einem Gefängnis zugeschaltet (Archiv).

Opposition in Russland Anklage fordert 20 Jahre Haft für Kremlgegner Nawalny

Stand: 20.07.2023 18:36 Uhr

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit läuft seit Juni ein neuer Prozess gegen den Kremlkritiker Nawalny. Die Staatsanwaltschaft will für ihn nun 20 weitere Jahre Lagerhaft. Er verbüßt bereits eine langjährige Strafe.

In Russland hat die Staatsanwaltschaft weitere 20 Jahre Haft in einer Strafkolonie für den Oppositionellen Alexej Nawalny gefordert. Dieser sitzt bereits wegen zweier vorherigen Urteile in einem solchen Lager ein. Das Urteil werde am 4. August verkündet, berichtete die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf Nawalnys Anwaltteam.

Dem prominenten Gegner von Kremlchef Wladimir Putin wird von der Justiz Extremismus vorgeworfen. Insgesamt brachte die Staatsanwaltschaft sieben Anklagepunkte vor, darunter Gründung und Finanzierung einer extremistischen Organisation sowie Verharmlosung des Nationalsozialismus. Nawalny weist alle Vorwürfe als politische Inszenierung zurück.

Nawalny: Völlig schutzlos ausgeliefert

Das Gerichtsverfahren begann im Juni in einem Straflager in Melechowo etwa 235 Kilometer östlich von Moskau, wo Nawalny einsitzt. Der Prozess findet hinter verschlossenen Türen statt. Nawalnys Unterstützer kritisieren das immer wieder. In seinem Schlusswort forderte Nawalny dazu auf, gegen das "gewissenlose Böse, das sich selbst 'Staatsmacht der Russischen Föderation' nennt", zu kämpfen.

Wer in Russland Gerechtigkeit vor einem Gericht suche, sei dem Justizsystem völlig schutzlos ausgeliefert. "Denn in einem Land, das von einem Kriminellen regiert wird, werden Streitfragen durch Verhandlungen, Macht, Bestechung, Betrug, Verrat und andere Mechanismen des wirklichen Lebens und nicht durch irgendeine Art von Gesetz gelöst."

Laut den Unterstützern Nawalnys bezeichnete er Russlands Offensive in der Ukraine als "dümmsten und sinnlosesten Krieg des 21. Jahrhunderts". Russland treibe "in einer Lache aus Schlamm oder Blut, mit gebrochenen Knochen, mit einer armen und beraubten Bevölkerung", hieß es in einer von Nawalnys Mitarbeitern im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Erklärung des Oppositionellen. 

Festnahme nach Rückkehr aus Deutschland

Nawalny, der bereits seit zwei Jahren im Gefängnis sitzt, gilt international als politischer Gefangener. Er wurde im Sommer 2020 bei einer Reise in Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet. Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter dem Mordanschlag zu stecken. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte er im Januar 2021 trotz drohender Haftstrafe und neuer Prozesse in seine Heimat zurück. Noch am Flughafen wurde er festgenommen.

Nach seiner Verhaftung wurde Nawalny zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Verstoßes gegen Auflagen verurteilt. Dann kamen neun Jahre Haft wegen Vorwürfen des Betrugs und der Missachtung des Gerichts hinzu. Nawalny ist in einem Hochsicherheitsgefängnis östlich von Moskau inhaftiert. Er weist die Anschuldigungen als frei erfunden zurück und argumentiert, sie dienten nur dazu, ihn zum Schweigen zu bringen. Er sagt, der Kreml wolle ihn lebenslang hinter Gittern halten.

Frank Aischmann, MDR, zzt. Berlin, tagesschau, 20.07.2023 18:44 Uhr