Milan Kundera

Trauer um Schriftsteller Milan Kundera mit 94 Jahren gestorben

Stand: 12.07.2023 16:27 Uhr

Milan Kunderas tragikomische Liebesgeschichten bewegten viele Menschen und wurden in alle Weltsprachen übersetzt. Weltberühmt wurde der Schriftsteller mit dem Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Nun ist Kundera gestorben.

Der französisch-tschechische Schriftsteller Milan Kundera ist tot. Das gab die Mährische Landesbibliothek in Brünn (Brno) unter Berufung auf seine Ehefrau Vera bekannt. Der 94-Jährige sei am Dienstag nach langer Krankheit gestorben. Auch das tschechische Fernsehen hatte über seinen Tod berichtet. Der wichtigen Kultureinrichtung seiner Geburtsstadt hatte der Autor noch zu Lebzeiten seinen Bücher-Nachlass anvertraut.

Kundera war einer der bedeutendsten europäischen Schriftsteller seiner Generation. Der weltweite Durchbruch kam für Kundera 1984 mit dem Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Das Buch über eine Ménage à trois vor dem Hintergrund des Prager Frühlings 1968 wurde später mit den Filmstars Daniel Day-Lewis und Juliette Binoche verfilmt.

Kunderas Bücher wurden in alle Weltsprachen übersetzt und millionenfach verkauft. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den "Prix Médicis", den Ritterorden der französischen Ehrenlegion und den Jerusalem-Preis.

Schriftsteller Milan Kundera gestorben

Kati Obermann, MDR, tagesschau, 12.07.2023 14:00 Uhr

Erst Lobeshymnen auf Stalin - dann ins Exil

Kundera wurde am 1. April 1929 im mährischen Brünn geboren. Er entstammte einer gebildeten Familie. Sein Vater war Rektor einer Musikhochschule, seine Mutter Lehrerin. Sein Cousin Ludvik war ein surrealistischer Schriftsteller. Als Jugendlicher lernte Kundera Klavier, trat im Überschwang der kommunistischen Partei bei, schrieb Lobeshymnen auf Stalin. Mit dem Schreiben begann er bereits in der Schulzeit. Nach dem Abitur studierte er an der Prager Karls-Universität Musik und Literatur, nach kurzer Zeit wechselte er aber zu Regie und Drehbuch.

Seinen ersten großen Prosa-Erfolg feierte er mit losen Erzählungen über die "lächerliche Liebe". Sie zeigten ungleiche Liebespaare in grotesken Situationen. Mit dem Stalinismus setzte sich Kundera in seinem Roman "Der Scherz" auseinander. Seine Distanz zum Regime wuchs. Und Kundera wurde später zu einem prominenten Vertreter der sozialistischen Demokratiebewegung "Prager Frühling".

Milan Kundera 1973

Sein Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" machte Kundera weltberühmt.

Lebte seit Jahrzehnten in Frankreich

Die Kommunistische Partei in der damaligen Tschechoslowakei (CSSR) schloss Kundera 1970 aus ihren Reihen aus, kurze Zeit später wurde er mit einem Publikationsverbot belegt. 1975 erhielt Kundera ein Ausreisevisum und siedelte mit seiner Frau Vera nach Frankreich über. 1979 entzog man dem Schriftsteller als Reaktion auf "Das Buch vom Lachen und Vergessen" auch die Staatsbürgerschaft. In dem Werk distanzierte er sich von seiner kommunistischen Vergangenheit. In seiner neuen Heimat Paris schrieb er "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", in Tschechien erschien der Erfolgsroman erst 2006. 1981 nahm Kundera die französische Staatsbürgerschaft an. Nach seiner Emigration verfasste er mehrere Romane auf Französisch.

2019 erhielt er die tschechische Staatsbürgerschaft zurück. Die Initiative dafür ging auf den früheren Regierungschef Andrej Babis zurück. Dem Leben im Exil widmete sich Kundera in vielen seiner Bücher. Um die Schwierigkeiten der Rückkehrer geht es in "Die Unwissenheit" von 2000.

Inkognito zu Besuch bei Freunden

Kundera würzte seine Romane gerne mit philosophischen Exkursen. Er sah sich als Verteidiger des europäischen Romans. "Der Roman ist eine Meditation, welche, über imaginäre Figuren, auf den Grund der Existenz geht", schrieb er einmal. Es ging bei Kundera immer auch um die großen Fragen der Identität, der Geschichte, der Existenz. Oft wurde er als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt, doch kam es nie dazu.

Blick in die Kundera-Bibliothek in Brünn

Blick in die Bibliothek in Kunderas Geburtstadt Brünn.

Seine Bibliothek und sein Archiv vermachte er auf Initiative seiner Frau Vera der Mährischen Landesbibliothek. Sie habe sein Werk retten und es dorthin zurückbringen wollen, wo es mit ihm zusammen geboren wurde. "Das bedeutet Frieden, aber auch Wehmut mit einem endenden Leben. Doch das Ende gehört dorthin, wo es begonnen hat. Und das ist in Brünn."

Über den Menschen hinter dem Schriftsteller Kundera ist indes nur wenig bekannt, obwohl er jahrzehntelang im Herzen von Paris wohnte. Der Romanautor sei derjenige, der "hinter seinem eigenen Werk zu verschwinden sucht", merkte er einmal an. Interviews gab er kaum. Jugendfreunde aus Brünner Tagen besuchte er nur inkognito - mit falschem Bart und Sonnenbrille.

Kunderas größter Wunsch blieb es bis zuletzt, als Schriftsteller hinter seinem eigenen Werk zu verschwinden: "Als Mensch annulliert zu werden und keine andere Spur zu hinterlassen als die gedruckten Bücher."

Mit Informationen von Marianne Allweiss, ARD-Studio Prag

Marianne Allweiss, ARD Prag, tagesschau, 12.07.2023 12:41 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 12. Juli 2023 um 11:00 Uhr.