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"Ideenimport" Wie klappt's besser mit der Digitalisierung?

Stand: 03.02.2023 05:03 Uhr

Per Mausklick Wohngeld beantragen, Reisepass verlängern oder ein Rezept vom Arzt bekommen: in Deutschland vielerorts noch immer eine Utopie. Wie also digitaler werden? Der "Ideenimport"-Podcast sucht im Ausland nach Ideen und möglichen Vorbildern.

Zu Beginn der Pandemie arbeiteten viele Behörden noch mit dem Faxgerät, Mitarbeitende in den Gesundheitsämtern mussten teils händisch die Daten der Erkrankten erfassen und in Aktenordnern abheften. Die Hoffnung, dass sich das in der Folge der Corona-Krise ändern würde, erwies sich als Trugschluss. Digitalisierungsschub? Fehlanzeige

Denn obwohl der Koalitionsvertrag ambitionierte Pläne zur Digitalisierung versprach, sieht die Realität anders aus: Laut Bundesinnenministerium sind von allen verfügbaren Verwaltungsleistungen nur etwa sechs Prozent flächendeckend digital verfügbar. Und auch im Gesundheitssektor läuft es schleppend: Zwar gibt es jetzt die E-Patientenakte und E-Rezepte - nur nutzt sie kaum jemand.

Polen als digitales Testlabor

Dass sich die Verwaltung in wenigen Jahren digitalisieren lässt, wenn der Wille vorhanden ist, zeigt dagegen Polen. In der Verwaltung läuft fast alles online, sagt der ARD-Polen-Korrespondent Martin Adam. Er habe als "deutscher Einwanderer" manchmal "ein bisschen das Gefühl, dass ich bisher im Wald gelebt habe".

Um in den Genuss der digitalen Verwaltung zu kommen, braucht man die "PESEL"-Nummer, mit der man Zugang zu allen Verwaltungsleistungen bekommt; ob für die Steuererklärung oder die Führerscheindaten. Das Digitalisierungsministerium hat auch die Verwaltungsapp "mObywatel" entwickelt, übersetzt "mobile Bürger“.

Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, stehen am Nationalstadion in Warschau (Polen) an, um registriert zu werden.

Auch Flüchtlinge aus der Ukraine bekamen in Polen umgehend eine PESEL-Nummer - dafür mussten sie allerdings anstehen.

Gefahr von Datenmissbrauch

Piotr Mieczkowski von der Nichtregierungsorganisation "Digital Poland" sieht drei Hauptgründe für die schnelle Transformation in Polen: Erstens habe das Land nach der Wende alles umbauen müssen und nicht unter dem Ballast alter Strukturen gelitten. Zweitens sei Polen als mittelgroße Volkswirtschaft ein gutes Testlabor. Das sei sowohl für private Firmen, gerade im Bankensektor, als auch für den Staat attraktiv gewesen. Und drittens habe die Regierung mit der Digitalisierung ihre Steuerschlupflöcher geschlossen, so Mieczkowski.

Doch da ist auch der sorgenlose Umgang der Regierung mit den Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger. Ein Thema ist die Registrierung der Schwangeren. Das eigentliche Ziel, das Gesundheitssystem an die Bedarfe anzupassen, sei vorbildlich, sagt ARD-Korrespondent Adam. Doch in einem Land, in dem die nationalkonservative PiS-Regierung ein rigides Abtreibungsgesetz durchsetzt, könnte diese Datenerhebung für Schwangere auch gefährlich werden.

Griechenlands Priorisierung in allen Ministerien

Griechenland hat in nur wenigen Jahren sein Gesundheitswesen stark digitalisiert. Dabei erwies sich die Pandemie als Beschleuniger. Die Impfkampagne wurde von Anfang an digital aufgesetzt, sagt ARD-Korrespondentin Verena Schälter.

Für die digitale Pandemiestrategie entwickelten das Digitalisierungs- und Gesundheitsministerium sowie das Ministerium für Zivilschutz gemeinsam einen Plan. Das Thema hatte oberste Priorität. "Denn die Verwaltung war in den vergangenen Jahren, gerade in der Finanzkrise, sehr rückständig“, so Schälter.

Das Land habe die Digitalisierung nicht unter föderalen Gesichtspunkten organisiert, sodass eine landesweit einheitliche Strategie entwickelt werden konnte. "Ich denke, dass das auch in einem föderalen System funktioniert", sagt ARD-Korrespondentin Schälter. "Aber man braucht dann vielleicht eine starke Initiative vom Bund und muss genau überlegen, was die Länder leisten können und welche Ministerien zusammenarbeiten."

Mehr dazu, wie die Digitalisierung von Verwaltung und Gesundheitswesen in Polen und Griechenland vorangetrieben werden und was Deutschland daraus lernen kann, schildern die Korrespondenten im "Ideenimport" - dem Auslandspodcast der tagesschau.

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Für viele Fragen, die im Alltag immer wieder aufkommen, gibt es irgendwo auf der Welt garantiert schon gute Ideen, mögliche Vorbilder und Lösungsansätze: Wie besser mit stark steigenden Energiepreisen umgehen? Was tun, um sich gesünder zu ernähren? Warum leben Menschen in anderen Ländern teils länger?

Der Auslandspodcast der tagesschau sucht und findet sie - zusammen mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten in den 30 Auslandsstudios der ARD. Ideenimport will den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand weiten und mit frischen Ideen für neuen Input in politischen und gesellschaftlichen Debatten sorgen.

Ideenimport erscheint jeden zweiten Freitag. Sie können den Podcast jederzeit zu Hause oder unterwegs auf Ihrem Smartphone hören - jeden zweiten Freitagmorgen finden Sie eine neue Folge auf unserer Webseite, in der ARD-Audiothek und auf zahlreichen weiteren Podcast-Plattformen.

Ideenimport, 03.02.2023 04:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Dezember 2022 um 18:40 Uhr.