Russell Brand nach einem Auftritt in London.

Vorwürfe gegen Ex-BBC-Moderator Promiskuität - oder sexuelle Attacken?

Stand: 18.09.2023 15:58 Uhr

Nach Vergewaltigungsvorwürfen gegen den britischen Komiker und Ex-BBC-Moderator Russell Brand hat die Polizei mutmaßliche Opfer aufgerufen, sich zu melden. Brand selbst weist die Anschuldigungen zurück und vermutet eine Kampagne.

6,5 Millionen Menschen folgen Russel Brand auf seinem Youtube-Kanal. Dort verfolgt er eigenen Angaben zufolge den "Pfad der Wahrheit und Freiheit" und erörtert zum Beispiel die Frage, ob Bill Gates mit labor-produziertem Essen die globale Nahrungsmittelproduktion unter seine Kontrolle bringen will. 

In die Verschwörungsszene abgerutscht

Als Impfgegner während der Corona-Pandemie, mit pro-russischen Einlassungen zum Ukraine-Krieg und Anwürfen gegen Prominente wie Microsoft-Chef Bill Gates oder Ex-US-Präsident Barack Obama ist Russell Brand in die Verschwörungsszene abgerutscht. Dabei hatte der Moderator, Schauspieler und Komiker in den 2000er Jahren eine steile Karriere in den sogenannten "Mainstream-Medien" gemacht, wie Brand sie heute nennt.

Anzügliche Anrufe

Vom MTV-Moderator über eine Talkshow auf Channel 4 wurde er beliebter Radiomoderator bei der BBC und trat in Hollywood-Filmen auf. Schon damals eckte er auch immer wieder an und wurde 2008 von der BBC gefeuert - nach einem sexuell anzüglichen Telefonstreich. Gemeinsam mit seinem Moderatorenkollegen Jonathan Ross hatte er den Schauspieler Andrew Sachs angerufen und auf seiner Mailbox die Nachricht hinterlassen, er habe Sex mit dessen Enkelin gehabt.

Ohne Folgen war allerdings ein Telefonat geblieben, das Brand bereits ein Jahr vorher in seiner Sendung mit seinem Kollegen, BBC-Moderator Jimmy Saville, führte. Saville fragte, ob Brand seine Schwester für ihn mitbringen könnte. Brand erklärte, er habe keine Schwester, könne aber seine Assistentin anbieten. Zu ihren Aufgaben gehöre es, jeden zu massieren, von dem Brand das wolle. Sie sei sehr attraktiv. Der Ausschnitt wurde im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Brand in der BBC wiederholt.

Kultur der Übergriffe bei der BBC

Über Saville wurde später - nach dessen Tod - bekannt, dass er in seiner Zeit als prominenter BBC-Moderator jahrzehntelang Hunderte Menschen sexuell missbraucht hatte. Das Ausmaß der Vergehen Savilles führte zu großem Aufsehen in Großbritannien. Und zu heftiger Kritik, dass die Kultur in der BBC solche Übergriffe möglich gemacht habe und Warnungen nicht ernst genommen worden seien.  

Britische Medien erheben jetzt nach monatelangen Recherchen massive Vorwürfe gegen Russell Brand. Insgesamt vier Frauen beschuldigen den Moderator, sie zwischen 2006 und 2013 sexuell attackiert zu haben, in einem Fall geht es um Vergewaltigung. Eine Frau mit dem Alias-Namen "Nadia" beschrieb im Channel4-Fernsehprogramm "Dispatches", wie Brand sie in Los Angeles vergewaltigt habe. "Er riss meine Unterwäsche weg, ich versuchte ihn wegzuschieben, aber er war viel größer als ich und drückte mich gegen die Wand." Eine andere Frau schilderte, dass Brand sie als damals 16-Jährige mit einer von der BBC bestellten Limousine von der Schule abholen und in sein Haus bringen ließ. Er habe ihr Anweisungen gegeben, wie sie ihre Eltern und Freunde über ihre Beziehung belügen sollte.

Brand sieht andere Motive im Spiel

Brand weist in einem Video die Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück. Er habe in jener Zeit offen gesagt, dass er sehr viel Sex gehabt habe, aber der sei stets einvernehmlich gewesen. Brand raunte weiter, seine Transparenz über seine Promiskuität werde nun in etwas Kriminelles gedreht, das lasse ihn hinterfragen, ob da andere Motive im Spiel seien.

Die "Times", "Sunday Times" und "Channel4" hatten die Vorwürfe am Samstag erstmals veröffentlicht. Seitdem hätten sich weitere mutmaßliche Opfer von Brand gemeldet. Offizielle Anzeigen liegen offenbar nicht vor. Die Polizei erklärte, sie wolle sicherstellen, dass die betroffenen Frauen wüssten, wie sie Anzeige erstatten könnten.

Die Vorwürfe seien "unglaublich schockierend", sagte die konservative Vorsitzende des Ausschusses für Frauen und Gleichberechtigung des britischen Unterhauses, Caroline Nokes. Die Vorsitzende des Kulturausschusses, Caroline Dinenage, forderte Aufklärung und erklärte, der Fall werfe erneut Fragen über die Kultur in der Medienbranche auf.

"Schlechtes Benehmen gegen Frauen verbreitet"

"Channel4" und die BBC, die Brand in der fraglichen Zeit beschäftigten, haben Untersuchungen eingeleitet. Die ehemalige BBC-Kontrolleurin Lorraine Heggessey meint, der Blick zurück reiche nicht aus: "Schlechtes Benehmen gegenüber Frauen gehört nicht der Vergangenheit an. Erst letzte Woche hörten wir massive Vorwürfe von Ärztinnen, wie sie von männlichen Kollegen im OP bedrängt werden. Weder in den Medien noch in anderen Bereichen der Gesellschaft ist das Problem beseitigt worden." 

Russel Brand war von 2010 bis 2012 mit US-Popstar Katy Perry verheiratet. Perry äußerte später in einem Interview, Brand habe sie kontrollieren wollen. Mit seiner aktuellen Ehefrau Laura Gallacher hat er zwei Kinder und erwartet derzeit ein drittes.

Zuspruch von Publikum und Promis

Brand ist derzeit auf einer Tour durch Theater und Clubs in England. Am Samstag bei einer Vorstellung in Wembley erklärte er, er könne sich nicht detailliert zu den Vorwürfen äußern. Das Publikum applaudierte ihm minutenlang. Auch X-Chef Elon Musk, der rechte US-Moderator Tucker Carlson sowie die Influencer Andrew und Tristan Tate, gegen die in Rumänien bald ein Prozess wegen sexueller Ausbeutung von Frauen beginnt, drückten Brand im Netz ihre Unterstützung aus.

Gabi Biesinger, ARD London, tagesschau, 18.09.2023 13:00 Uhr