
EU-Parlament verweigert Entlastung Ein klares Votum gegen Frontex
Der Grenzschutzagentur Frontex wird vorgeworfen, das illegale Zurückdrängen von Flüchtlingen unterstützt zu haben. Deshalb hat das EU-Parlament der Agentur nun die Haushaltsentlastung verweigert.
Mit 345 zu 284 Stimmen war es am Ende ein unerwartet klares Votum gegen Frontex. Da nützte es auch nichts, dass EU-Innenkommissarin Ylya Johansson bei den Parlamentariern noch einmal für die Grenzschutzagentur geworben hatte:
"Ich vertraue der Geschäftsführung und der Interimsdirektorin Aija Kalnaja, dass sie die Grenzschutzagentur in eine gute Richtung lenken. Wir haben gute und mutige Männer und Frauen, die unsere Außengrenzen rund um die Uhr beschützen - unter Einhaltung der Grundrechte. Das tun Tausende von Grenzbeamten Tag und Nacht."
Hauptverantwortliche nicht mehr im Amt
Tatsächlich haben sich die im Raum stehenden Grundrechtsverletzungen vom Frühjahr bis Herbst 2020 ereignet. Seitdem habe sich vieles getan, sagt Lena Dupont. Besonders wichtig ist der innenpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, dass die Hauptverantwortlichen allesamt nicht mehr im Amt sind:
"Es gibt drei neue Verantwortliche in den führenden Positionen, 46 Menschenrechtsbeobachter sind eingestellt worden. Die Kontrollmechanismen funktionieren wieder. Die Agentur hat ihre Hausarbeiten gemacht, lassen Sie uns unsere tun und die Agentur unterstützen."
Pushback-Vorfälle vertuscht
Eine Mehrheit der Abgeordneten sieht das anders. Frontex habe an der griechischen Grenze Pushback-Vorfälle systematisch vertuscht, sie nicht untersucht oder nicht korrekt behandelt.
Juan López Aguilar aus der sozialdemokratischen Fraktion ist Vorsitzender im Innenausschuss des EU-Parlaments, er sagt: "Korruption der Besten führt zu Schlimmsten, heißt es im Latein. Und wenn diejenigen, die für die Einhaltung des Rechts sorgen sollten, das Recht missachten, ist das ein Fehler im System. Und das ist bei Frontex leider der Fall."
"System Frontex beenden"
Und deshalb müsse das System geändert werden, fordert die EU-Abgeordnete Cornelia Ernst. Sie sitzt für die Linke im Parlament: "Dieses System Frontex muss beendet werden. Keinen einzigen Cent Steuergelder darf es für eine Agentur geben, der das Leben von Asylsuchenden nicht mal einen Pfifferling wert ist."
Die Grenzschutzbehörde war 2004 mit der EU-Osterweiterung gegründet worden. Seit 2015 wurden die Mittel der Agentur bedeutend aufgestockt. Bis 2027 soll das Personal weiter auf 10.000 Grenzschützer steigen.
"Wir lassen da den Rechtsstaat zurück"
Das erhitzt vor allem die Gemüter jener, die wie der Grüne Parlamentarier Erik Marquardt für eine deutlich liberalere Migrationspolitik der EU plädieren: "Ich finde es wirklich entwürdigend - auch für dieses Haus - dass wir an den Außengrenzen nicht nur Menschen, schreiende Frauen und Kinder und Männer, zurücklassen auf seeuntüchtigen Booten, sondern wir lassen da den Rechtsstaat zurück. Wir lassen das zurück, wofür eigentlich Europa stehen sollte."
Die Parlamentsentscheidung, Frontex die Entlastung des Etats zu versagen, hat vorerst vor allem symbolische Bedeutung - was der neuen Agenturspitze Gelegenheit geben könnte, den Wandel bei der Achtung der Grundrechte und beim Führungsstil voranzutreiben. Allerdings soll es demnächst einen weiteren Bericht der OLAF-Behörde geben, der für neue Unruhe sorgen dürfte.