Rauch steigt aus den Schornsteinen im Kohlekraftwerk Lagisza bei Kattowitz.

Energiewende in Polen Der Traum von der grünen Stadt

Stand: 03.11.2021 20:30 Uhr

Noch ist die Kohle Polens Energielieferant Nummer Eins. Während die konservative Regierung erst allmählich einsieht, wie dringend die Energiewende ist, wird sie von einer kleinen Stadt in Zentralpolen schon vorgelebt.

Von Martin Adam, Warschau

Wer Konin auf der Karte sucht, muss ziemlich weit reinzoomen. Die kleine Stadt in Zentralpolen ist in vielerlei Hinsicht ein polnisches Klischee: in der Mitte ein rechteckiger Altstadtmarkt, außenrum Vorwendeplattenbauten - und ein Kohlekraftwerk.

Polens wichtigste Energiequelle hat die Stadt geprägt. Von den 70.000 Menschen die hier leben, haben einst 20.000 für das Kraftwerk gearbeitet. Heute sind es - direkt und indirekt - nur noch fünfeinhalb tausend. Aber in Konin hat die neue Zeit begonnen, erklärt der Bürgermeister Piotr Korytkowski.

"Das ganze Jahr 2019 über haben wir uns mit den Einwohnern und auch mit NGOs beraten. Und die Einwohner haben entschieden, dass sie in einer grünen, einer ökologischen Stadt leben wollen - aber auch in einer Stadt, die weiterhin mit der Energiewirtschaft assoziiert wird."

Eine Stadt macht es vor

Ein Jahr nachdem der polnische Präsident Andrzej Duda am Rande des Klimagipfels in Katowice erklärte, die polnische Kohle reiche noch für die nächsten 200 Jahre, haben die Menschen in Konin die Weichen in eine andere Richtung gestellt. "Konin - hier fließt die Energie" lautet jetzt die Losung für den grünen Stadtentwicklungsplan.

Maciej Sytek leitet die lokale "Agentur für Regionale Entwicklung". Er erzählt, erstens setze man auf erneuerbare Energien, also Windräder und Sonnenkollektoren. Man habe über 7000 Hektar, die dafür vorgesehen seien. Zweitens wolle man die Elektromobilität weiterentwickeln. Man wolle nicht mit Audi oder VW konkurrieren, aber um Batterieproduzenten werben. Und der dritte Faktor sei Wasserstoff, sagt er.

Dichter Rauch steigt aus eines Schornstein des Kohlerkraftwerks in Belchatow auf

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Es muss schneller gehen

Schon jetzt arbeitet ein Teil der Kraftwerksanlage in Konin nur noch mit Biomasse. Technik für die Wasserstoffverarbeitung wird gerade beschafft. Der andere, der Kohleteil, soll bis 2030 abgeschaltet werden - 19 Jahre vor dem geplanten nationalen Kohleausstieg Polens. Dass es schneller gehen muss, bekräftigt inzwischen auch Premierminister Mateusz Morawiecki auf dem Klimagipfel in Glasgow - allerdings nicht ohne Bedingungen, wie er am Rande des Gipfels erklärt.

Damit Polen vergleichbar mit anderen Ländern die ehrgeizigen Klimaziele erreichen kann, müssen wir mit entsprechenden Mitteln unterstützt werden. Gleichzeitig aber darf es zu keiner Erpressung wegen anderer Elemente der europäischen Politik kommen.

Polen braucht das EU-Geld

Gemeint ist der Streit um Polens Rechtstaatlichkeit und die Sorge der EU-Kommission um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz. Brüssel hält deshalb Milliarden aus dem Corona-Hilfsfonds zurück, gleichzeitig hat der EuGH eine Millionenstrafe verhängt.

Im Rathaus von Konin beobachtet man das mit stetig wachsender Sorge. Denn die Energiewende im Kleinen hängt hier ab von 450 Millionen Euro Fördergeldern - von der EU.

Martin Adam, Martin Adam, ARD Warschau, 03.11.2021 18:55 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 04. November 2021 um 05:03 Uhr in der ARD Infonacht.