Zwei Nerze in einem Käfig auf einer Farm in Dänemark | AP

Nach langer Pause Dänemarks Nerzzucht läuft wieder

Stand: 04.01.2023 07:23 Uhr

Die dänische Regierung ließ in der Corona-Pandemie Millionen Nerze töten. Nun soll die Industrie mit den Pelztieren wieder hochgefahren werden. Tierschützer beklagen, dass die Zucht wieder erlaubt ist.

Von Martin Polansky, zzt. ARD-Studio Stockholm

Martin Korsbaek will neu starten. Jahrelang hatte er auf seinem Hof in Nordjütland Nerze für die Pelzproduktion gezüchtet. Aber die Gitterställe, aufgebaut in langen Reihen, sind leer.

Im November 2020 entschied die dänische Regierung, dass alle Nerze im Land getötet werden müssen - weil bei den Tieren Mutationen des Coronavirus festgestellt worden waren. Mehr als 15 Millionen Nerze ließen die Behörden damals keulen.

"Das hat mich damals sehr mitgenommen", sagt Korsbaek jetzt. "Ich und meine Frau werden trotzdem nochmal viel Geld investieren, um neue Tiere anzuschaffen und wieder voll in die Nerzzucht einzusteigen."

Die Nerze gingen vor allem nach China

Korsbaek ist trotz seiner gerade mal 28 Jahre ein erfahrener Nerzzüchter, der schon als Teenager mit dem Pelzgewerbe begann. Er wollte seitdem nie etwas anderes machen. 2020 bei der Massenkeulung hatte Korsbaek 1100 Zuchttiere. Jetzt will er mit 600 Tieren wieder anfangen. "Es wird sehr viel Arbeit erfordern, jetzt wieder loszulegen. Aber ich bin noch jung, habe noch viele Jahre vor mir."

Rund 1200 Nerzzuchtbetriebe gab es vor Corona in Dänemark, so viele wie nirgendwo sonst in Europa. Die Nerze gingen vor allem nach China für die Produktion von Pelzmänteln. Aber jetzt wollen nur noch etwa ein Dutzend Züchter wieder loslegen - mit rund 10.000 Tieren, die aus Island und Finnland nach Dänemark gebracht werden.

Nerze sind in Käfigen in einem Zuchtbetrieb in Dänemark zu sehen. | AFP

Mehr als 15 Millionen Nerze ließen die dänischen Behörden im Jahr 2020 keulen, nachdem bei ihnen eine Mutation des Coronavirus festgestellt wurde. Bild: AFP

Manche züchten nun Erdbeeren

Nach der Massenkeulung entschied die Regierung, die Branche zu entschädigen. Nach derzeitigen Berechnungen sollen insgesamt rund 1,75 Milliarden Euro als Entschädigung für Verdienstausfälle bis 2030 an die Züchter gezahlt werden. Doch viele Züchter haben umgesattelt. Manche arbeiten gar nicht mehr auf ihrem Hof, andere züchten Erdbeeren oder bauen Getreide an.

Nur wenige Züchter hatten eine sogenannte Ruhezeitkompensation beantragt, die zusichern sollte, dass man überleben konnte, bis die Nerzzucht wieder zugelassen wird. Louise Simonsen, Vorsitzende des Verbandes "Danske Mink", erwartet keine Nerzzucht mehr im großen Stil. "Wir werden niemals wieder die gleiche Anzahl an Nerzen und Züchtern haben. Aber wir können hoffentlich eine Nischenbranche aufbauen, die auch bessere Preise erzielt."

Tierschutzverbände protestieren

Tierschutzverbände in Dänemark wie "Dyrenes Beskyttelse" wären lieber beim kompletten Verbot der Nerzzucht im Land geblieben. Denn die sei schlicht nicht artgerecht, sagt die Direktorin des Verbandes Britta Riis: "Man steckt ein Wildtier in einen kleinen Käfig. Der Nerz hat keine Möglichkeit, sich normal zu verhalten", so Riis. Das sei gegen die Natur der Tiere. "Deshalb sind wir gegen die Nerzproduktion."

Riis verweist darauf, dass viele europäische Länder die kommerzielle Nerzzucht inzwischen verboten hätten - darunter auch der frühere Großproduzent Niederlande. In Deutschland gibt es zwar kein offizielles Produktionsverbot aber wegen der hohen gesetzlichen Anforderungen seit 2019 keine kommerziellen Nerzfarmen mehr.

"Die Welt ist inzwischen weiter als Dänemark", sagt Tierschützerin Riis. Aber sie räumt ein, dass in einigen ländlichen Regionen vor allem in Nordjütland die Nerzzucht sehr verbreitet gewesen sei und viel Unterstützung findet.

Regierung stürzte über Massenkeulung

Der sogenannte Nerzskandal im Jahr 2020 entwickelte sich in Dänemark zu einem wahren Politikum. Denn die Massenkeulung der rund 15 Millionen Tiere geschah ohne Rechtsgrundlage, wie eine Parlamentskommission anschließend feststellte. Zuerst musste der Landwirtschaftsminister zurücktreten.

Aber auch der Druck auf Ministerpräsidentin Mette Frederiksen war so groß, dass sie im vergangenen Oktober schließlich gezwungen war, zügige Neuwahlen auszurufen. Ihre Sozialdemokratische Partei erhielt dabei Anfang November zwar die meisten Stimmen. Aber Frederiksen regiert seitdem mit zwei bürgerlichen Parteien, die der Nerzzucht offener gegenüberstehen als die früheren linken Partner der Sozialdemokraten.

Allerdings wurde schon vor der Wahl behördlich entschieden, dass es keine grundsätzlichen Gesundheitsbedenken mehr gegen die Nerzzucht gebe.

Probebetrieb bis April

Gleichwohl sind die Auflagen nun streng für die Züchter, die wieder loslegen wollen. So müssen die Tiere stichprobenartig auf Corona getestet werden - und wenn nach einem positiven Test eine Verschärfung der Lage droht, sollen die Tiere gekeult werden.

Die Züchter auf den Farmen müssen Masken tragen und sich wöchentlich testen lassen. Erst mal gilt ein Probebetrieb bis April. Danach soll entschieden werden, wie die weiteren Auflagen aussehen. Der Zuchtverband "Danske Mink" fordert klare und überschaubare Regeln. Das Argument der Corona-Gefahr dürfe aber nicht herangezogen werden, um ein Totalverbot durchzusetzen.

Nerzzüchter Martin Korsbaek hält die Infektionsgefahr für überschaubar. Jede Tierhaltung berge auch Risiken, die man abwägen müsse. Er sieht einen langen Weg vor sich. Es werde wohl fünf Jahre brauchen, bis die Felle der Tiere wieder die Qualität wie früher haben, sagt Korsbaek. "Aber wir wollen es schaffen, wieder auf das alte dänische Niveau zu kommen - um mit unserer Qualität wieder ganz die Spitze zu erreichen."

Über dieses Thema berichtete MDR aktuell Fernsehen am 05. Oktober 2022 um 17:45 Uhr.