Nach regierungskritischen Protesten Annäherung der Türkei an die EU stockt

Stand: 20.06.2013 22:37 Uhr

Es ist ein herber Rückschlag für die Beziehungen der Türkei zur EU: Offenbar konnten sich die EU-Botschafter in Brüssel nicht darauf einigen, kommende Woche ein neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zu eröffnen. Für die Blockade sorgte auch Deutschland.

Den Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union droht ein herber Rückschlag: Die EU wird wohl nicht wie ursprünglich geplant am kommenden Mittwoch einen weiteren Themenbereich in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnen. Das berichteten mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf EU-Diplomaten.

Vor dem Hintergrund des gewaltsamen Vorgehens der türkischen Polizei gegen regierungskritische Demonstranten hatten die EU-Botschafter in Brüssel über den Fortgang der Beitrittsverhandlungen gesprochen. Deutschland und die Niederlande hätten sich den Berichten zufolge gegen eine Ausweitung der Verhandlungen ausgesprochen.

Ein letzter Versuch für eine Einigung kann aber noch bei einer weiteren Sitzung der EU-Botschafter vor einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg am Montag unternommen werden. Eine Einigung sei jedoch "unwahrscheinlich", so ein EU-Diplomat.

Große Bedenken auch in Österreich

Bereits in der vergangenen Woche hatte die deutsche Regierung wissen lassen, die Eröffnung eines neuen Verhandlungskapitels werde "wohl eher nicht möglich sein". Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Weitere Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei hingen vom Verhalten gegenüber den Demonstranten ab, betonte der österreichische Außenminister Michael Spindelegger. "Da gibt es eben in Deutschland wie in Österreich große Besorgnis", sagte Spindelegger nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel in Wien.

Beiden Ländern sei eine privilegierte Partnerschaft lieber als ein EU-Beitritt. "Grund- und Freiheitsrechte wie Demonstrationsfreiheit, Meinungsfreiheit müssen in jedem Land hoch geachtet werden. Da gibt's überhaupt keine Ausnahme", so Spindelegger.

"Rückschlag für die Beziehungen der Türkei zur EU"

Der türkische Minister für europäische Angelegenheiten, Egemen Bagis, hatte Merkel zuvor gewarnt, aus dem EU-Beitritt der Türkei ein Wahlkampfthema zu machen: "Wenn Frau Merkel nach innenpolitischen Themen für ihren Wahlkampf sucht, dann sollte das nicht die Türkei sein", sagte Bagis.

Die türkische Regierung ist auch wegen der Kritik Merkels am Vorgehen gegen die Demonstranten verärgert. Merkel hatte die Einsätze als "viel zu hart" bezeichnet.

Sollte nicht wie geplant kommende Woche ein neues Beitrittskapitel eröffnet werden, wäre das ein schwerer Rückschlag für die Beziehungen zwischen Türkei und EU, hieß es aus türkischen Diplomatenkreisen.

Erstmals seit drei Jahren eine neue Verhandlungsrunde

Indes wandte sich der türkische Starpianist Fazil Say in einem Brief an Merkel. Darin bat der Musiker die Kanzlerin, ihren Widerstand gegen einen EU-Beitritt seines Landes aufzugeben. "Millionen Menschen in der Türkei verdienen den Beitritt zur EU", schrieb Say türkischen Medienberichten zufolge. Der Pianist zählt zu den Kritikern der islamisch-konservativen Regierung Erdogans.

Bisher sind in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei 13 von 35 sogenannten Kapiteln eröffnet. Eines davon ist bereits geschlossen. Eine Reihe von Bereichen liegt zudem wegen des Verhältnisses der Türkei zu Zypern auf Eis.

Eigentlich sollten am kommenden Mittwoch die Verhandlungen über das Thema Regionalpolitik beginnen. Damit wäre erstmals seit drei Jahren wieder ein neues Kapitel in den Beitrittsgesprächen eröffnet worden.