Barroso vor zweiter Amtszeit Verlegenheitskandidat hofft auf Wiederwahl

Stand: 10.06.2009 02:24 Uhr

EU-Kommissionspräsident Barroso kann beruhigt sein. Durch den Erfolg der konservativen Parteien bei der Europawahl steigen seine Aussichten auf eine zweite Amtszeit. Allerdings sind auch politische Freunde unzufrieden mit der Bilanz des Portugiesen.

Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel

Es ist nicht mehr die Frage, ob José Manuel Barroso zum zweiten Mal Kommissionspräsident werden kann. Sondern wann. Denn für ihn spricht zum einen, dass sich weit und breit kein Gegenkandidat abzeichnet: "Ich finde es schade, dass die Sozialdemokratie keinen Gegenkandidaten vorgeschlagen hat - vor der Wahl. Dann hätten wir einen Wahlkampf bekommen mit Gesichtern, die Europa braucht," sagt der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.

Jetzt, nach der Europawahl, geben sie bei den Sozialdemokraten einer Gegenkandidatur keine Chance mehr. Denn die Sozialisten sind geschwächt aus der Wahl hervorgegangen. Barrosos politische Familie der Konservativen und Christdemokraten ist nun deutlicher stärkste Kraft als bisher.

Der nächste Kommissionspräsident wird zwar von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, muss aber vom Europaparlament mit Mehrheit bestätigt werden. Die Grünen wollen zwar versuchen, eine Allianz gegen Barroso zu schmieden. Aber dafür müssten sich Grüne, Linke, Rechtsextremisten und Liberale zusammentun. Und der liberale Fraktionschef Graham Watson lässt Nähe zu Barroso erkennen: "In meiner Gruppe gab es breite Unterstützung, aber nicht immer Begeisterung über die Art und Weise, wie er die Kommission geführt hat." 

Gekürt aus Verlegenheit

José Manuel Barroso, 53 Jahre alt, war 2004 eher als Verlegenheitskandidat auserkoren worden. Ambitioniert war der Portugiese damals an den Start gegangen. Aber in den vergangenen Jahren hat er zunehmend an Rückhalt verloren. In konservativen Parlamentskreisen schimpfen sie darüber, dass er zu wenig Führung im Interesse Europas zeige.

Und bei den Sozialdemokraten wirft man ihm einen neoliberalen Kurs vor, so auch SPD-Mann Leinen. Er beklagt die Zögerlichkeit bei der sozialen Agenda. "Uns fehlt da viel. Er kann nicht wiedergewählt werden ohne Substanz und politisches Programm", so Leinen. 

Abgeordnete mit Redebedürfnis

Barroso gilt in Brüssel als jemand, der schnell sein Fähnchen nach dem Wind ausrichtet. Mal eher zögerlich im Anpacken von Problemen, dann wieder Aktionismus, um zu retten, was zu retten ist. Gerade im Parlament werfen sie seiner Kommission auch vor, zu wenig mit den gewählten Abgeordneten zu kommunizieren.

Barroso ist schon vom Typ her nicht einer, der gerne in den politischen Clinch geht. Aber genau das haben die Staats- und Regierungschefs auch vorhergesehen, als sie ihn vor fünf Jahren erstmals nominierten. Ein wirklich starker Kommissionspräsident als Gegengewicht zu den nationalen Begehrlichkeiten war auch nicht erwünscht.

Warnung vor Schleimerei

Da passte der geschmeidige Portugiese vielen gut ins Konzept. Denn die Merkels, Sarkozys oder Berlusconis sind an einer zu ambitionierten EU-Kommission nicht interessiert. Das befördert seine Wiederwahl aus der Sicht mancher Regierungschefs. Der liberale Fraktionschef Watson legt den Finger in die Wunde: "Er muss uns überzeugen, dass er er selbst bleibt. Und nicht einigen Regierungschefs aus mächtigen Staaten hinterherschleimt." 

Offen ist noch, wann Barroso nominiert und bestätigt werden soll. Es gibt viele, die darauf warten möchten, ob Irland den EU-Reformvertrag im Herbst in einem zweiten Referendum billigt. Dann könnte man die neue Kommission bereits auf der Grundlage des neuen Vertrags zusammensetzen.