Verschiedene Gehwehre und Pistolen liegen am 16.06.2017 in Canberra (Australien) auf einem Tisch.
Hintergrund

Waffenrecht in Australien Entwaffnet nach Massaker

Stand: 06.10.2017 17:12 Uhr

Australien hatte früher ein ähnlich laxes Waffenrecht wie die USA. Doch nach einem Amoklauf mit 35 Toten wurden 1996 in Rekordzeit die Gesetze drastisch verschärft. Folge: Die Zahl der Toten durch Schusswaffen sank gewaltig.

"Waren das Schüsse?", fragt jemand auf dem Mitschnitt vom Tatort. Ein 28-Jähriger hatte an diesem 28. April 1996 in einem Café im tasmanischen Port Arthur das Feuer mit einem halbautomatischen Gewehr eröffnet.

35 Menschen starben - und der konservative Premier John Howard hatte die Nase voll. In nur zehn Tagen setzte er ein Verbot halbautomatischer Gewehre durch. Das überraschte selbst die Leute in seinem Ministerium, erinnert sich Howard. "Als ich meine Pläne vorstellte, schüttelten die Leute in meinem Stab den Kopf und sagten: 'Du denkst nicht wirklich daran, sämtliche Halb-Automatics zu verbieten, nicht wahr?' Und ich sagte: 'Doch, genau das habe ich vor'."

Waffenlobby rief zum zivilen Ungehorsam auf

Und das war längst nicht alles. Wer heute eine Pistole oder Flinte kaufen will, muss in Australien seine Eignung nachweisen und ein Sicherheitstraining absolvieren. Und er muss begründen, wieso er eine Waffe braucht. Ein allgemeines "Ich fühle mich bedroht" reicht nicht mehr. Denn die wenigsten derer, die unbedingt eine Waffe haben wollen, "brauchen" sie tatsächlich. Meistens geht es ihnen eher um ein vages Unsicherheitsgefühl. Dass gegen einen bösen Kerl mit einer Waffe nur ein guter Typ mit einer Waffe hilft, halten Experten für hanebüchenen Unsinn. Die größte Gefahr für Otto-Normalverbraucher geht nicht von Mafia-Killern oder Terroristen aus - sondern vom psychisch gestörten Waffennarren in der Nachbarschaft, der unkontrolliert aufgerüstet hat.

Holger Senzel, Holger Senzel, ARD Singapur, 06.10.2017 15:18 Uhr

"Es tut mir leid, aber es gibt keinen anderen Weg!", rief Howard damals den aufgebrachten Waffenbesitzern zu. Die Stimmung kochte in Down Under.  

Ähnlich wie die Amerikaner hingen die Australier in diesem weiten Kontinent an ihren Knarren, der einsame Cowboy war auch hier männliches Rollenvorbild. Man denke bloß an Quigley, den Australier - gespielt von Tom Selleck - der mit seiner Sharps-Büchse allein gegen das Böse kämpft. Die Waffenlobby rief die Australier gar zum zivilen Ungehorsam gegen das verschärfte Waffenrecht auf. Doch Howard blieb hart.

Nur noch halb so viele Tote durch Schusswaffen

"Wenn ich nur einen Schritt zurückgewichen wäre", sagt Howard heute, "hätte mich das hoffnungslos und schwach aussehen lassen. Die Leute hätten gedacht: 'Wie viele Menschen müssen noch ermordet werden von einem verrückten Amokschützen, bevor die Regierung handelt?' Wenn du in solchen Fragen nicht entschieden vorgehst, verlieren die Menschen den Glauben an  die Regierung."

"Menschen töten, nicht Waffen", argumentiert die US-Waffenlobby. Aber Schusswaffen erleichtern Menschen das Töten. Um die Zahl der Waffen in privater Hand zu senken, investierte die australische Regierung daher neben der Verschärfung des Waffenrechts zugleich Hunderte Millionen Dollar: Sie kaufte etwa 650.000 Waffen ihren Besitzern ab, weitere Zehntausende wurde freiwillig abgegeben und verschrottet. Die Zahl der Schusswaffen-Toten ist seitdem um die Hälfte gesunken.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. Oktober 2017 um 10:50 Uhr.