Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen während ihrer Rede zum Nationalfeiertag

Chinesische Militärmanöver Taiwan kritisiert "verantwortungslosen Akt"

Stand: 05.08.2022 08:06 Uhr

Chinas Militärmanöver vor Taiwan haben international Kritik ausgelöst. Auch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen verurteilte die Übungen aufs Schärfste - dennoch setzte Peking sie heute fort.

Von Kathrin Erdmann, ARD-Studio Ostasien

Es ist eine interessante Karte, die Japan zu den chinesischen Manövern veröffentlicht hat. China und die autonom regierte Insel Taiwan sind darauf farblich beide in grün markiert - dazu kommen rote Punkte und Linien mit den Flugbahnen von Raketen der Volksbefreiungsarmee. Eine davon geht auch direkt über einen gelben Punkt - daneben steht Taipeh. Eine oder mehrere Raketen sind danach also direkt über die Hauptstadt geflogen. Die taiwanische Regierung hat das bisher weder bestätigt noch dementiert.

Präsidentin Tsai-Ing-wen bezeichnete die Übungen mit scharfer Munition als "verantwortungslosen Akt" und machte ein weiteres Mal die Entschlossenheit Taiwans deutlich.

Wir setzen uns für die Aufrechterhaltung des Status quo auf beiden Seiten der Meerenge ein und waren immer offen für einen konstruktiven Dialog. Taiwan wird sich niemals von Herausforderungen unterkriegen lassen.

Mehrmals waren chinesische Raketen auch über die Mittellinie, die indirekt als Grenze gilt, hinweggeflogen. Verteidigungsexperten hatten bereits erwartet, dass China bei seinen Manövern versuchen würde, diese Linie weiter aufzuweichen, um seinem aus ihrer Sicht legitimen Anspruch auf die Insel Nachdruck zu verleihen. Die Raketen über Taipeh indes flogen offenbar in großer Höhe – aber was, wenn es das nächste Mal Kampfflugzeuge wären, die deutlich niedriger fliegen.

Präsidentin Tsai Ing-wen sagte am späten Abend ganz generell:

Ich möchte betonen, dass wir Konflikte nicht eskalieren oder Streitigkeiten provozieren werden, aber wir werden unsere Souveränität und nationale Sicherheit entschlossen verteidigen und an der Verteidigungslinie von Demokratie und Freiheit festhalten.

Man sei ruhig und besonnen, versuchte sie vermutlich auch das Volk zu beruhigen. Das war, ob durch nationalistische chinesische Hacker oder durch das kommunistische Regime, in den letzten Tagen immer wieder mit Falschmeldungen konfrontiert, in denen bereits von einem Krieg die Rede war. Auch gab es großflächige Cyberangriffe.

Japan verurteilt Vorgehen auf das Schärfste

Dass Japan eine so genaue Karte von den chinesischen Militärübungen veröffentlicht hat, kommt indes nicht von ungefähr. Das ostasiatische Land ist einer der wichtigsten Unterstützer eines freien Indopazifik - und war deshalb alles andere als begeistert, als es feststellen musste: China hat gestern hintereinander neun ballistische Raketen abgefeuert. Fünf davon landeten in Japans exklusiver Wirtschaftszone. Und das zum ersten Mal, wie Verteidigungsminister Nobue Kishi erklärte:

Wir verurteilen dieses Vorgehen aufs Schärfste, da es die Sicherheit unseres Landes und die Sicherheit unserer Bevölkerung stark beeinträchtigt. Wir haben auf diplomatischem Wege nachdrücklich gegen China protestiert.

Der Auslöser für die jüngste Eskalation, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist unterdessen in Japan angekommen und hat sich mit Regierungschef Fumio Kishida getroffen. Der forderte China im Anschluss  eines Gesprächs zum sofortigen Stopp sämtlicher militärischer Aktivitäten auf.

Kathrin Erdmann, Kathrin Erdmann, ARD Tokio, 05.08.2022 08:54 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 05. August 2022 um 04:03 Uhr.