Ein Demonstrant mit erhobenen Arm steht vor Soldaten, die das Protestcamps vor dem Präsidialsekretariat in Colombo räumen sollen.

Sri Lanka Polizei stürmt Protestcamp

Stand: 22.07.2022 12:45 Uhr

Der neue Präsident von Sri Lanka ist erst kurz im Amt und greift direkt hart durch: Militär und die Polizei lösten das wichtigste Protestcamp der Regierungskritiker mit Gewalt auf. Mehrere Menschen wurden festgenommen.

Im Krisenland Sri Lanka hat ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften das wichtigste Protestlager von Regierungsgegnern in der Hauptstadt Colombo gestürmt und aufgelöst. Bei dem Einsatz von rund 1000 Polizisten und Soldaten in der Nacht seien neun Menschen festgenommen worden, teilte die Polizei mit. 14 Verletzte seien in das National Hospital eingeliefert worden.

Neuer Präsident warnte vor Besetzung

Der in weiten Kreisen unpopuläre neue Präsident Ranil Wickremesinghe hatte bei seiner Amtseinführung gesagt, jeder Versuch, die Regierung zu stürzen oder Regierungsgebäude zu besetzen, sei keine Demokratie, sondern gegen das Gesetz. Wenige Stunden später begann der Sturm auf das Hauptprotestlager.

Zum Zeitpunkt der Razzia waren nach Polizeiangaben rund 200 Protestierende anwesend. Einsatzkräfte sollen Zelte niedergerissen und Barrikaden um das Protestlager errichtet haben, damit niemand zurückkehren kann. Die Einsatzkräfte riegelten den Präsidentenpalast ab und sperrten die wichtigsten Zugangsstraßen für den Verkehr.

Anwälte, die zum ehemaligen Hauptprotestlager gehen wollten, seien von Einsatzkräften angegriffen worden, teilte die Anwaltskammer mit. Auch mindestens ein Anwalt und mehrere Journalisten seien festgenommen worden. Die Kammer rief Präsident Wickremesinghe auf, sicherzustellen, dass er und seine Regierung Rechtsstaatlichkeit und fundamentale Rechte der Menschen respektierten. Sie verurteilten den Angriff auf die Protestierenden. Auch die Menschenrechtskommission des Landes nannte den Angriff eine vollständige Verletzung elementarer Rechte von Menschen.

Neuer Präsident für Krise mitverantwortlich ?

Am Vormittag demonstrierten nach Polizeiangaben rund 300 Menschen in der Hauptstadt. Vor dem Palast harrten noch mehrere hundert Menschen aus, die den Rücktritt Wickremesinghes fordern. Sie machen Wickremesinghe neben seinem geflüchteten Amtsvorgänger Gotabaya Rajapaksa für die schwere Krise im Land mitverantwortlich.

Die Demonstranten sehen in Wickremesinghe einen Vertreter der Machtelite um den ins Ausland geflüchteten Rajapaksa. Als neuer Regierungschef wurde das Mitglied der Regierungspartei, Dinesh Gunawardena, vereidigt. Der 73-Jährige war zuvor vom neuen Präsidenten ernannt worden. Auch der neue Premier gilt als langjähriger loyaler Anhänger des geflüchteten Ex-Präsidenten.

Schwere Wirtschafts- und Finanzkrise

Das gewaltsame Vorgehen gegen die Protestierenden könnte Verhandlungen des stark verschuldeten Landes mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beeinträchtigen. Sri Lanka hat angesichts der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten auch beim IWF um Hilfe gebeten. Saliya Pieries von der Anwaltskammer des Landes sagte, dass die unnötige Anwendung von roher Gewalt dem internationalen Ruf Sri Lankas nicht zuträglich sei.

Sri Lanka steckt in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, für die Menschen ein Missmanagement der politischen Führung verantwortlich machen. Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern galt einst als neues Singapur, als aufstrebendes Land mit einer wachsenden Mittelklasse. Inzwischen müssen die Menschen tagelang bei Tankstellen anstehen, um Benzin oder Diesel zu erhalten. Regelmäßig fällt der Strom aus. Gas zum Kochen und Medikamente fehlen, die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.

Die Gründe für die Krise sind vielfältig: Misswirtschaft und Korruption spielen eine Rolle, aber auch die Folgen der Corona-Pandemie, die vor allem den wichtigen Tourismus-Sektor hart getroffen haben. Wegen der Krise gingen in den vergangenen Wochen Zehntausende Menschen gegen die politische Führung auf die Straße.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 22. Juli 2022 um 09:00 Uhr.