
Härterer Lockdown in Shanghai Sie nennen es Ruhemodus
Shanghai hat den Corona-Lockdown noch einmal verschärft - die Stadt ist im Ruhemodus. "Wir sind wütend, aber wir können nichts tun", berichtet ein Bewohner. Die Verwaltung spricht von der "letzten Schlacht".
Eine Millionenmetropole so still, dass die Vögel lauter zwitschern als das Leben der Stadt. Und das während in Shanghai nach offiziellen Angaben der Stadt "die letzte Schlacht" gegen das Virus zugange ist. Es sind militärische Begriffe in den chinesischen Staatsmedien, die die Menschen motivieren sollen, weiter mitzumachen.
Mithilfe der sogenannten Volksbefreiungsarmee und einer "militärischen Ordnung" soll das Virus bekämpft werden, bis es keine Infektionen mehr gibt. Dass die chinesische Staats- und Parteiführung weiter an der Null-Covid-Strategie festhält, ist zweifellos. Das lässt manche Bürgerinnen und Bürger ratlos zurück: "Jetzt ist der Lockdown gerade wieder strenger geworden. Aber wir hoffen, dass dies die letzte harte Zeit ist, bevor die Dinge besser werden und wir endlich frei sein können", sagt eine Frau im Stadtzentrum von Shanghai.
Kritik hinter vorgehaltener Hand
In China gibt es keine Presse- und Meinungsfreiheit. Um unsere Gesprächspartner bei teils regierungskritischen Aussagen zu schützen, nennen wir ihre Namen nicht. Dass die Null-Covid-Politik immer so weitergehen könnte, befürchtet diese Frau in einem Nachbarviertel: "Ich vermute, dass die Dinge noch lange nicht wieder so sein werden, wie sie einmal waren. So ein Ausbruch, wie Shanghai ihn erlebt hat, kann doch in Zukunft wieder aufflammen."
Die Infektionszahlen in Shanghai, dem Epizentrum des größten Corona-Ausbruchs der Volksrepublik seit Beginn der Pandemie, gehen zurück. Seit Mitte April von fast 30.000 Neuinfektionen pro Tag auf jetzt etwas mehr als 3000. Bis Sonntag soll das Ziel von null Neuinfektionen erreicht sein - zumindest in den Wohngebieten außerhalb der staatlichen Isolations- und Quarantäneeinrichtungen.
Regeln werden offenbar strenger
Hinweise verdichten sich, dass aus diesem Grund nun mehr Menschen in solche zentrale Einrichtungen gebracht werden. In den Wohnhäusern sind die Regeln in dieser Woche noch strenger geworden.
Auch Menschen, die sich zwischenzeitlich frei bewegen durften, sollen wieder zuhause bleiben, wie diese Frau im Stadtteil Xuhui. "Am Wochenende haben die Behörden eine Mitteilung geschickt, dass wir unseren Wohnblock nicht verlassen sollen", sagt sie. "Ich habe auch aus anderen Wohnblocks solche Mitteilungen gesehen. Ruhemodus wird das genannt. Sogar in den sogenannten Vorsorgegebieten, der freiesten Zone während des Lockdowns, hat man jetzt weniger Freiheit, nach draußen zu gehen."
Weitreichender "Ruhemodus"
Dieser sogenannte Ruhemodus bedeutet auch, dass die Menschen sich nicht innerhalb ihres Wohnblocks versammeln sollen und auch keine Lebensmittel online bestellen sollen. Alle Kontakte sollen vermieden werden. Auch die mit den Mitarbeitern der Lieferdienste. Mehrere Menschen berichten dem ARD-Hörfunk in Shanghai, dass die Lebensmittelversorgung sich in ihrem Stadtviertel verbessert habe. Hilfspakete von der Regierung seien nun regelmäßig gekommen.
Zuvor hat es in Shanghai vereinzelt Proteste gegeben, weil Menschen nicht genug zu essen hatten. Proteste sind in China bemerkenswert, denn sie werden von der Staats- und Parteiführung nicht toleriert. Immer noch gibt es kleinere Ausschreitungen und teils handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen der Polizei in weißen Ganzkörperschutzanzügen und Bürgerinnen und Bürgern, die fordern, dass das Tor zur Straße hin geöffnet wird, oder die sich dagegen wehren in eine staatliche Quarantäneeinrichtung zu gehen. Videos davon verbreiten sich in den sozialen Netzwerken.
Gewalt bei Protesten
Diese sind schwer zu verifizieren, spiegeln jedoch die Stimmung der Menschen wider, mit denen der ARD-Hörfunk sprechen konnte: "Jeden Tag sehen wir auf Apps wie Wechat und Douyin viele Videos und Beiträge über Zusammenstöße zwischen Menschen und den Ordnungskräften", erzählt einer von ihnen. "Wir sehen, wie Polizisten Gewalt anwenden oder Menschen unterdrücken, die sich beschweren und Widerstand leisten. Wir sind wütend, aber wir können nichts tun. Schließlich trauen sich die meisten Chinesen nicht, gegen die Regierung zu kämpfen."
"Wenn die Behörden rücksichtslose Maßnahmen ergreifen, sind die Menschen einfach zu machtlos, um etwas dagegen zu unternehmen", sagt ein anderer. "Es gibt keinen Kanal, wo man seinen Unmut loswerden kann. Ich bin pessimistisch, was die Situation angeht."
Viele Menschen in Shanghai glauben nicht, dass die Stadt im Mai wieder geöffnet wird und gehen entweder von Juni oder gar Juli aus. Die chinesische Hauptstadt Peking versucht mit zuletzt 70 gemeldeten Neuinfektionen, einen kompletten Lockdown wie in Shanghai zu vermeiden. Dort sind einzelne Wohngebiete abgesperrt, der öffentliche Nahverkehr ist teilweise eingeschränkt.