
Nordirak Kampf und Flucht in Sindschar
Im nordirakischen Sindschar sind Kämpfe ausgebrochen. Im Norden bombardiert die türkische Armee PKK-Stellungen, von Süden rückt die irakische Armee heran. Nun sind wieder Tausende Jesiden auf der Flucht.
Sie fühlen sich an furchtbare Zeiten erinnert, an das Jahr 2014, als die Terrormiliz des selbst ernannten "Islamischen Staates" das Siedlungsgebiet der Jesiden überrannte und Tausende Menschen hinrichtete, jesidische Frauen vergewaltigte und versklavte, Städte und Dörfer zerstörte.
Die Heimat der Jesiden rund um die nordirakische Stadt Sindschar ist bis heute eine Trümmerlandschaft - nun wird dort wieder gekämpft: "Das ist wie 2014, als die IS-Terroristen uns überfallen hatten. Damals mussten wir flüchten. Jetzt müssen wir wieder flüchten", sagt eine Mutter zu einem Team der Nachrichten-Agentur AP.
Hals über Kopf haben viele Familien ihre Häuser verlassen. Sie berichten: Überall werde gekämpft, nirgends seien sie sicher, ihre Kinder hätten Angst.
Iraks Armee spricht von Sicherheit
Die irakische Armee fliegt mit Hubschraubern übers Siedlungsgebiet der Jesiden und rückt mit Bodentruppen an. Sie wollen Kämpfer der lokalen Miliz entwaffnen, die das Gebiet seit Jahren kontrolliert - eine Miliz kurdisch-jesidischer Kämpfer, die der PKK nahesteht.
Gegen letztere gehe die irakische Armee vor, nicht gegen die Bevölkerung, betont der Vize-Kommandeur dieser Militär-Operation, Abdul-Amir al-Shamari: "Wir sind hier, um Sicherheit zu garantieren, um das Recht durchzusetzen. Wir haben alle Straßen geöffnet. Es gab weder Schäden an zivilen Einrichtungen noch an Zivilisten."
Armee: Sindschar "unter Kontrolle"
Doch da widersprechen Anwohner. Ein Mann zeigt auf seinem Handy Fotos zerstörter Wohnhäuser: "Plötzlich wurde geschossen: Die Armee gegen die PKK, und die PKK schießt zurück - nur 100 Meter neben unserem Haus", sagt er. 700 Familien mit insgesamt rund 4000 Menschen sollen vor den Kämpfen geflüchtet sein.
Armeesprecher al-Shamari beschwichtigt, Regierungstruppen hätten den Norden des Sindschar jetzt unter Kontrolle. "Ziel dieser Operation ist, dass es überall nach Recht und Gesetz zugeht, dass es sicher ist, damit wir Sindschar wieder aufbauen können und damit die Vertriebenen zurückkehren können."
Zwei Journalisten festgenommen
Aber viele der geflüchteten Jesiden trauen der irakischen Regierung nicht. Manche befürchten, dass die Armee sie verdächtigen könnte, die jesidisch-kurdische Miliz unterstützt zu haben. Dann nämlich könnten sie festgenommen werden.
So erging es einer 29-jährigen Journalistin aus Hessen: Sie wurde vor zwei Wochen von der irakischen Armee im Sindschar festgenommen und ist seitdem in einem Gefängnis in Bagdad in Haft. Bislang haben sich die irakischen Behörden nicht geäußert, was sie der Frau vorwerfen.
Die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf, sich für die Freilassung der 29-Jährigen und ihres ebenfalls im Irak festgenommenen slowenischen Kollegen einzusetzen.