
Treffen Putin, Erdogan und Raisi Dreimal eigene Interessen
Wenn die drei Präsidenten Putin, Erdogan und Raisi heute in Teheran zusammenkommen, soll es offiziell um Syrien gehen. Dort verfolgt jeder Staat seine eigenen Interessen. Die symbolische Botschaft geht weit über Syrien hinaus.
Ein Treffen der Staatsoberhäupter, die Garantiemächte des Astana-Friedensprozesses für Syrien sind - so lautete vergangene Woche in Moskau die knappe Ankündigung des Treffens zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin, Irans Präsident Ebrahim Raisi und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Damit war die Überschrift gesetzt, weitere Hinweise gab es nicht. Der Astana-Friedensprozess wurde von den drei Staaten 2017 in Kasachstan in Gang gesetzt und mit dem damaligen Namen der kasachischen Hauptstadt etikettiert, heute heißt sie Nur-Sultan.
Keiner der drei Parteien gehe es bei dem Treffen um das syrische Volk, kritisiert Bente Scheller, Referatsleiterin Nahost und Nordafrika der Heinrich-Böll-Stiftung, gegenüber der ARD - Putin, Erdogan und Raisi gehe es um "Kriegsmanagement" und darum, sich für die jeweiligen geostrategischen Interessen in Syrien stark zu machen. Der syrische Diktator Baschar al Assad nimmt an dem Treffen nicht teil.
Man darf davon ausgehen, dass sich alle drei für eine humanitäre Unterstützung der Flüchtlinge im Land, aber auch außerhalb Syriens aussprechen und die internationale Gemeinschaft auffordern werden, sich am Wiederaufbau der zerstörten Städte und Infrastruktur zu beteiligen. Außerdem ist damit zu rechnen, dass die drei Parteien das von den Vereinten Nationen flankierte Komitee zur Bildung einer Verfassung unterstützen wollen.
Eine Reise als Botschaft
Putin halte eigentlich am liebsten in Moskau Hof, meint Scheller. Dass er nach Teheran reist, kurz nachdem US-Präsident Joe Biden Israel und Saudi-Arabien besucht hat, sei auch eine Botschaft an den Westen, dass Putin weiterhin seinen Willen im Nahen Osten durchsetzen werde.
Gleichzeitig sei die Visite eine diplomatische Aufwertung der Iraner, so Scheller. Auch weil es erst Putins zweite Auslandsreise seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ist. Und schließlich habe Putin kaum noch die Möglichkeit, internationale Foren als Bühne zu nutzen. Deshalb käme ihm der Dreier-Gipfel in Teheran gelegen.
Assad hängt von Putin ab
In Syrien sorgt der russische Präsident mit seinen Truppen dafür, dass Diktator Assad zumindest in Damaskus an der Macht bleibt. Russische Kampfflugzeuge kontrollieren den Luftraum über Syrien, die russische Marine nutzt einen Hafen am Mittelmeer. Zwar spricht Putin immer wieder von der Souveränität des Landes, tatsächlich werden seine Truppen voraussichtlich lange in Syrien bleiben, um am Mittelmeer und im Nahen Osten militärisch präsent zu sein.
Auch der Iran unterstützt den syrischen Machthaber mit Soldaten und verbündeten Milizen, habe jedoch keinen Anspruch auf Flughäfen oder maritime Häfen, so Scheller, und ziehe deshalb gegenüber den Russen den Kürzeren.
Für Raisi und die Revolutionsgarden dürfte allerdings die Landverbindung zur befreundeten radikalislamischen Hizbollah im Libanon ein wichtiger geostrategischer Faktor sein. Außerdem sind iranische Revolutionsgarden in Syrien dem "Feind", wie Israel in Iran meist bezeichnet wird, geographisch deutlich näher.
Erdogan droht mit Einmarsch
Der türkische Präsident Erdogan droht seit Monaten, er wolle sein Militär in Nordsyrien einmarschieren lassen, um von dort die Kurdenmiliz YPG zu vertreiben. Nihat Ali Özcan, Experte für Sicherheitspolitik und Dozent an der Istanbuler Tobb-Universität, sagt, es gehe konkret um die Städte Manbidsch und Tel Rifat und deren Umland.
Doch kann die türkische Führung eine solche Maßnahme beschließen, ohne vorher Russlands Zustimmung eingeholt zu haben? Aus Ankara heiße es offiziell, man benötige keine Erlaubnis von Putin für solch eine Operation. Tatsächlich werde die türkische Seite bei diesem Gipfel jedoch alles daransetzen, dass Putin, aber auch Raisi einer Offensive zustimmen, sagt Özcan.
Die Türkei kontrolliert seit dem Einmarsch im Jahr 2019 bereits einen 30 Kilometer breiten und etwa 150 Kilometer langen Streifen entlang der Grenze innerhalb Syriens, den zuvor die YPG beherrschte. Erdogan argumentiert, die YPG sei mit der als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK verbündet. Deshalb bedrohe die syrische Kurdenmiliz die Sicherheit der Türkei.
Pläne für syrische Flüchtlinge?
Aus Kreisen von Erdogans Partei AKP heißt es aber auch, es gehe darum, Gebiete zu erobern, in denen später syrische Flüchtlinge aus der Türkei angesiedelt werden können. Rund 3,7 Millionen Menschen hat die Türkei seit dem Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland aufgenommen.
Im Zuge der türkischen Wirtschafts- und Finanzkrise haben Ressentiments und Ablehnung vieler Türken gegenüber syrischen Flüchtlingen aber deutlich zugenommen. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Syrer und deren Geschäfte.
Kaum jemand erwartet konkrete Ergebnisse in Teheran, die über die Ankündigungen vorheriger Treffen vorausgehen. Oppositionelle Syrer, so zitiert Nahost-Expertin Scheller Stimmen aus dem Land, seien dennoch besorgt: Wenn sich Putin, Erdogan und Raisi treffen, dann sei das bisher stets zum Nachteil der Syrer gewesen.