Brasilien und die Amtsenthebung Der letzte Akt im Fall Rousseff

Stand: 25.08.2016 13:00 Uhr

"Dilma raus" tönt es in Brasilien. Gemeint ist Dilma Rousseff, seit Mai ihres Amtes enthoben. Die Brasilianer hoffen auf einen Neuanfang, ohne sie. Für die Noch-Präsidentin, der Korruption vorgeworfen wird, beginnt der letzte Akt.

Von Ivo Marusczyk, ARD Berlin

Im quälend lange, zähen Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff beginnt heute endgültig der letzte Akt. Seit Mai ist die Präsidentin vom Amt suspendiert. Nun findet die entscheidende Sondersitzung des Senats statt. Er muss klären, ob er Rousseff endgültig absetzt oder sie wieder in ihr Amt einsetzt. Aber danach sieht es nicht aus. Die Stimmungslage im Senat ist ziemlich eindeutig.

Diskussionen - seit Monaten

Senator Cassio Cunha Lima von den gemäßigten Konservativen beschwert sich: "Wir sitzen jetzt schon seit Monaten hier herum, und außerhalb dieses Saals erleidet Brasilien eine Krise ohne gleichen. Ihretwegen müssen wir jetzt sagen: Schluss, es reicht."

Rosseffs Gegner brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also 54 von 81 Stimmen im Senat. 48 Senatoren haben sich schon zum Impeachment bekannt. Und bei einer ersten Abstimmung Anfang August stimmten 59 Senatoren dafür, das Verfahren fortzusetzen. Selbst frühere Anhänger haben sich längst von ihr abgewandt und ihre Gegner haben die Macht längst neu aufgeteilt. Es gibt also kaum Zweifel daran, dass das Verfahren nächste Woche mit der Absetzung der Präsidentin enden wird.

Rousseff beteuert ihre Unschuld

Die wandte sich vergangene Woche noch einmal an die Senatoren und an das Volk. "Ich bin unschuldig", betonte Dilma Rousseff. "Politisches Misstrauen genügt nicht, um eine Präsidentin abzusetzen." Womit sie formell recht hat. Der Senat muss ihr eine konkrete Amtspflichtverletzung nachweisen. Der Vorwurf lautet in ihrem Fall, Haushaltszahlen geschönt zu haben. Was angesichts der grassierenden Korruption in Brasilien ein ziemlich geringes Vergehen scheint.

"Im Gegensatz zu denen, die diesen ungerechten Prozess eingeleitet haben, habe ich keine geheimen Konten im Ausland, habe ich mich oder Dritte nicht mit einem Centavo persönlich bereichert und ich habe noch nie Schmiergeld kassiert", sagt Rousseff zu ihrer Verteidigung. Aber mit der formal-juristischen Argumentation, dass die Begründung nicht für eine Amtsenthebung ausreicht, dürfte sie nicht durchkommen.

"Präsidentin hat Bezug zur Realität verloren"

Ronaldo Caiado von der liberal-konservativen demokratischen Partei betont: "Die Botschaft der Präsidentin zeigt, dass sie total den Bezug zur brasilianischen Realität verloren hat. Die Bevölkerung leidet unter Arbeitslosigkeit und unter Inflation, und sie erleben, was sie sich nie vorstellen konnten: eine generelle Korruption überall im Staat. Und die Präsidentin richtet sich an die Bevölkerung, so als ob nichts passiert sei."

Bevölkerung hofft auf Neuanfang

Und tatsächlich interessiert sich die Bevölkerung nicht besonders für die juristischen Winkelzüge und Feinheiten des Verfahrens. Sie sehnt einen Neuanfang herbei. Das zeigt auch eine Umfrage:

Ich denke, es musste jetzt einfach zu diesem Impeachment-Verfahren kommen. Allein schon um den Menschen mal zu zeigen. Es gibt Regeln.
Wenn es danach besser wird, dann sollte das Impeachment kommen.
Ich denke dass Temer auch nur ein Übergangspräsident ist. Er ist nicht der Richtige, den wir brauchen. Wir alle hoffen einfach, dass die Dinge irgendwann besser werden.

In den nächsten Tagen wird der Senat seine Anklage gegen die Präsidentin noch einmal diskutieren. Sie selbst hat am Montag Gelegenheit, sich zu verteidigen. Im Lauf der Woche fällt dann das endgültige Urteil über sie.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. August 2016 um 05:21 Uhr