"Americas Doctor" Anthony Fauci steht neben einer US-Flagge

Nach fast vier Jahrzehnten "America's Doctor" Fauci geht in Rente

Stand: 15.12.2022 13:37 Uhr

Anthony Fauci diente dem US-amerikanischen Volk fast vier Jahrzehnte und sah sieben Präsidenten kommen und gehen: Nun geht der oberste Seuchenschützer in den Ruhestand. In seiner Amtszeit bekam er sowohl Lob als auch Anfeindungen.

Er ist eine der meist geschätzten und gleichzeitig meist gehassten Persönlichkeiten in den USA: Anthony Fauci, Spitzname "Americas Doctor". Seit fast 40 Jahren war er der Mann, der als Chef des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten den Amerikanern die Gefahr durch Viren wie HIV, Ebola, SARS und natürlich Corona erklärte und für Impfen, Masken und wenn nötig auch Lockdowns warb. Im rechten politischen Lager wurde er deshalb zur Hassfigur. Mit inzwischen 81 Jahren geht Fauci jetzt in Rente. Die Republikaner im Kongress wollen ihn aber nicht in Frieden ziehen lassen.

Die letzten offiziellen Arbeitstage von Anthony Fauci laufen kaum anders als die vergangenen gut 1000 seit Beginn der Corona-Pandemie. Das graue Haar sauber gescheitelt, die wasserblauen Augen hellwach und inzwischen meist ohne Maske gibt der zierliche 81-Jährige mit dem unverkennbaren New Yorker-Akzent ein Interview nach dem nächsten zur aktuellen Gesundheitslage.

Die ist nicht erfreulich: Die Krankenhäuser sind an der Belastungsgrenze und die Kinderkliniken und -praxen überfordert, weil neben Corona gerade auch das RS-Virus und die Grippe wüten. Gebetsmühlenartig wiederholt Fauci seine ständige Botschaft, zum Beispiel bei CNN: „Wir müssen die Menschen dazu bringen, sich impfen zu lassen, um sie selbst, ihre Familien und die Gesellschaft insgesamt zu schützen!“

 

Der oberste Seuchenschützer für sieben Präsidenten

1968 heuerte der damals 28-Jährige beim Nationalen Institut für Allergien und Infektionskrankheiten in einem Vorort von Washington an. 38 Jahre lang war er dessen Chef. Der Immunologe erkannte als einer der ersten die Gefahr durch HIV, avancierte zu einem der meistzitierten Wissenschaftler der USA. Im Laufe seiner Karriere beriet Fauci sieben US-Präsidenten, von Ronald Reagan bis Joe Biden.

Aber mit keinem sei es so schwierig gewesen wie mit Donald Trump, räumte Fauci ein. Als Trump beispielsweise das Rheuma-Mittel Hydroxychloroquin zur Wunderwaffe gegen Corona stilisieren wollte, wand sich der Wissenschaftler hörbar: "Der Präsident fühlt sich optimistisch über etwas, er fühlt es. Ich sage: Es kann effektiv sein, ich sage nicht, dass es das nicht ist. Aber als Wissenschaftler sage ich: Wir müssen Daten sammeln, ob es wirklich effektiv und sicher ist bei Covid19."

Warum er Trump nicht einfach klar widersprach? Aus Respekt vor dem Präsidentenamt - und weil er glaubte, der Öffentlichkeit nur zu nutzen, wenn er seinen Job behielt, so Fauci. Zur Reizfigur der Republikaner wurde er trotzdem. Sie machten ihn persönlich für Lockdowns und Wirtschaftskrise verantwortlich.

Viele danken ihm - viele verfluchen ihn

Typisch ein Schlagabtausch mit dem republikanischen Abgeordneten Jim Jordan im Frühjahr 2021 bei einer Kongress-Anhörung. Was genau passieren müsse, damit die Amerikaner ihre Freiheit zurückbekommen, wollte er wissen. Faucis Antwort: Für ihn sei das nun mal keine Frage der Freiheit, sondern wie man Menschen davor bewahrt zu sterben oder im Krankenhaus zu landen. Jordan darauf empört: „Sie glauben nicht, dass die Freiheit der Amerikaner bedroht wurde im vergangenen Jahr, Dr Fauci? Ihre Freiheit wurde angegriffen!" 

In vielen US-Vorgärten stehen bis heute "Danke, Fauci"-Schilder. Es gibt Fauci-T-Shirts und Cocktails. Aber es gibt auch Todesdrohungen: Im Sommer wurde ein Mann aus West Virginia zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Fauci per E-Mail drohte, ihn umzubringen. Twitter-Chef Elon Musk forderte vor ein paar Tagen "Prosecute/Fauci", also eine Klage gegen den Wissenschaftler. Diese persönlichen Anfeindungen seien ihm eigentlich egal, erklärte Fauci im BBC-Podcast "Americast".

Was ihm wirklich etwas ausmache sei, "dass diese Trolle auch meine Frau und meine Kinder schikanieren. Ich finde es so feige, wenn diese Leute Menschen drangsalieren, die nichts damit zu tun haben, wie meine Kinder." Das zeige nur, was für ein Abschaum so etwas mache, so Fauci.

Ruhestand noch nicht mit Ruhe zu verwechseln

Auch im Ruhestand werden ihn die Republikaner im Kongress nicht in Ruhe lassen, wollen ihn erneut vorladen: Weil er die Wahrheit über die Ursprünge von Corona vertuscht habe, vielleicht sogar für den Ausbruch der Pandemie mitverantwortlich sei. Auch wenn es dafür bislang keine Belege gibt. Er werde selbstverständlich aussagen, versprach Fauci bei seinem letzten Auftritt als Bidens Pandemie-Berater im Weißen Haus im November. Den Wert seiner Arbeit müssten andere beurteilen. Aber: „Die Amerikaner sollten wissen: Ich habe jeden Tag in all den Jahren alles gegeben.“ 

Julia Kastein, Julia Kastein, ARD Washington, 15.12.2022 11:45 Uhr