Der Trailerpark, in dem Rose Best mit ihrem Mann lebt.
weltspiegel

US-Trailerparks Wenn das mobile Heim zur Falle wird

Stand: 07.04.2024 02:16 Uhr

An vielen Orten der USA kaufen sich Großinvestoren in Trailerparks ein. Den Preis bezahlen Anwohnerinnen und Anwohner, die oft ohnehin am Existenzminimum leben. Aber es regt sich Widerstand.

Ein eigenes Haus für nicht mal 20.000 Dollar - dieser Traum ist für Aliene Olsen wahrgeworden. Sie lebt in einem Mobile Home Park - so werden Trailerparks auch genannt. Er liegt an der Westküste der USA in der Nähe der Stadt Seattle. Hier habe sie ihren Lebensabend verbringen wollen, erzählt die Rentnerin. Ein normales Haus habe sie sich nicht leisten können. Jetzt droht ihr Traum zu platzen. Das Problem, das Olsen und andere in solchen Parks haben: Die Häuser gehören ihnen. Aber die Grundstücke darunter sind gemietet. Und die haben Investoren für sich entdeckt.

Olsen hat ihr Haus vor rund neun Jahren gekauft. Damals gehörte der Park noch einem anderen Besitzer. Der habe die Stellplatzmiete zwar auch erhöht, aber immer nur um etwa 10 bis 15 Dollar. Das habe sie sich leisten können, sagt sie. Seit sich vor knapp zwei Jahren ein Investor aus Florida das Land unter ihrem Trailer kaufte, sei die Miete für ihr Grundstück von rund 600 auf etwa 800 Dollar gestiegen, berichtet Olsen. Bei 1100 Dollar Rente im Monat bleibe bei einer weiteren Erhöhung nicht mehr genug zum Leben übrig: "Ich brauche Benzin, um zum Arzt zu kommen, Alltagsdinge wie Seife oder Shampoo." Der Investor wollte sich zu den Mieterhöhungen nicht äußern.

US-Trailerparks - Wenn das mobile Heim zur Falle wird

Sarah Schmidt, ARD Washington, Weltspiegel, 07.04.2024 18:30 Uhr

Einfach wegziehen können die wenigsten

Schätzungsweise etwa sechs Prozent aller Amerikaner leben in Mobile Home Parks. Traditionell gehörten solche Parks so genannten "Mom and Pop Operators". Gemeint sind damit Familien oder kleine Familienunternehmen. Wenn die jüngere Generation kein Interesse mehr an den Parks habe, werden sie verkauft, erklärt Victoria O'Banion. Sie arbeitet für die gemeinnützige Organisation "ROC Northwest" und arbeitet mit Parkbesitzern, Investoren und Anwohnerinnen und Anwohnern zusammen.

Der Vorteil für die Investoren: Die Wartungskosten seien im Vergleich zu anderen Mietwohnungen oder -häusern deutlich niedriger. Geht zum Beispiel das Dach kaputt, zahlen das die Hausbesitzer, nicht der Grundstückseigentümer. Und: Anwohnerinnen wie Olsen können nicht so einfach umziehen und müssen deshalb auch steigende Mieten irgendwie weiterbezahlen. Denn so mobil wie der Name klingt, sind die Trailers meistens nicht. Olsens lässt sich nicht einfach so durch die Gegend fahren - zu alt, zu teuer das Versetzen. "Ich sitze in der Falle", sagt sie.

Aliene Olsen

Aliene Olsen klagt über die gestiegene Grundstücksmiete - aber auch das Umziehen kann sie sich nicht leisten.

Anwohner gründen eine Genossenschaft

Zwei Minuten Fahrtzeit entfernt liegt eine andere Mobile Home Community. Hier lebt Rose Best mit ihrem Mann Shawn Hickox. Ihnen drohte ein ähnliches Schicksal wie Aliene Olsen. Ihr Vorteil: Mittlerweile gibt es ein Gesetz, dass Anwohner früh genug über den Verkauf des Landes informiert werden müssen. Das galt beim Verkauf des Parks, in dem Olsens Wohnwagen steht, noch nicht.

Best und ihre Nachbarschaft wurden im Herbst vorgewarnt, dass der Eigentümer das Land verkaufen will. Gemeinsam mit allen Anwohnerinnen und Anwohnern wollen sie interessierten Investoren zuvorkommen und die Grundstücke selbst kaufen - für mehr als zehn Millionen Dollar. Alleine stemmen können sie das nicht.

Deshalb hilft Victoria O'Banion. Ihr Arbeitgeber "ROC" unterstützt Wohnwagensiedlungen im ganzen Land: Die Anwohnerinnen und Anwohner tun sich zusammen und gründen eine Kooperative, eine Art Genossenschaft. "ROC" hilft bei der komplizierten Gründung und Finanzierung. Denn hier sollen auch diejenigen mitkaufen können, die am Existenzminimum leben. Wie viel jeder einzahlt, entscheiden die Anwohnerinnen und Anwohner.

Rose Best

Rose Best hofft, dass sie sich durch die genossenschaftliche Trägerschaft der Siedlung bald weniger Geldsorgen machen muss.

Ein Kredit muss abbezahlt werden

In Bests Siedlung sind es 100 Dollar pro Haushalt. Das reiche natürlich nicht aus, um den Gesamtfinanzierungsbedarf zu decken, erklärt O'Banion. Best und die anderen müssen die Miete für ihre Grundstücke weiterbezahlen - mit Aufschlägen -, um irgendwann den Kredit zurückzubezahlen.

Ein so großes Projekt zu stemmen - ist das nicht beängstigend? "Ich habe noch nichts unterschrieben", sagt Shawn Hickox und lacht. Seine Frau ergänzt: "Wir sind ja nicht als Individuen verantwortlich, sondern die Kooperative". Auch wenn sie lange den Kredit für das Land abbezahlen müssen: Wie stark die Kosten für ihre Grundstücke steigen, haben sie jetzt selbst in der Hand.

"Ich bin aufgeregt. Und erleichtert. Das ist eine große Sorge, die ich mir nicht mehr machen muss", sagt Rose Best. Sie hoffe, dass Aliene Olsen und ihre Siedlung auch irgendwann die Möglichkeit bekommen, über einen Kauf des Landes unter den eigenen Häusern nachzudenken.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie am Sonntag, 7.4.2024 um 18:30 Uhr im "Weltspiegel".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der "Weltspiegel" im Ersten am 07. April 2024 um 18:30 Uhr.