Wladimir Putin spricht vor Angehörigen des Militärs, der Nationalgarde sowie Sicherheitspersonal vor dem Kreml.

Folgen der Wagner-Meuterei "Ich denke, Putin wird das überleben"

Stand: 29.06.2023 09:13 Uhr

In der US-Regierung sieht man Putins Macht nach dem Wagner-Aufstand beschädigt. Ein Russland-Experte glaubt aber nicht an ein schnelles Ende des russischen Präsidenten. Von den internen Kämpfen könnte aber die Ukraine profitieren.

Wie geschwächt ist Russlands Staatschef Wladimir Putin? US-Präsident Joe Biden hat auf die Frage zunächst mit einem Versprecher geantwortet: "Schwer zu sagen. Aber er verliert eindeutig den Krieg im Irak", sagte Biden, der natürlich den Krieg in der Ukraine meinte.

Beim Einsteigen in den Regierungshubschrauber vor dem Weißen Haus fügte Biden hinzu, Putin verliere "den Krieg zu Hause". Jon Huntsman, in der Amtszeit von Donald Trump US-Botschafter in Moskau, meint, Putin sei geschwächt wie noch nie.

"Putins unangefochtene Führungsrolle ist Vergangenheit", sagte Huntsman im Fernsehsender CNN. "In 23 Jahren an der Macht war er immer unbestritten der, der gesagt hat, wo es langgeht, der alles entschieden hat. Das geht dem Ende entgegen."

Barros: Mehr Ressourcen für die innere Stabilität

George Barros ist sich mit dem Ende nicht so sicher. Er ist Russland-Experte am Institut für Kriegsstudien in Washington, das täglich die Lage im Ukraine-Krieg analysiert. "Ich denke, Putin wird das überleben", sagt Barros. "Er wird den Krieg weiterführen."

Gleichzeitig gelte: Es ist sein schwächster Moment in jüngster Zeit. "Putin ist sehr mit der Stabilität seines Regimes beschäftigt. Das ist gut für die Ukraine. Umso mehr Ressourcen, Kraft und Zeit Putin und sein innerer Zirkel für die eigene Stabilität aufbringen müssen, umso weniger können sie sich mit der Frage beschäftigen, wie sie die ukrainische Gegenoffensive zurückschlagen."

"Sie haben nicht mehr viele fähige Kommandeure"

Barros glaubt, dass es in der russischen Militärführung mehrere Kommandeure gibt, die ursprünglich mit Söldnerchef Jewgeni Prigoschin sympathisiert haben. "Ich bin sicher, dass sie im Kreml im Moment sehr misstrauisch sind, welchen Kommandeuren sie trauen können und welchen nicht. Dabei haben sie nicht mehr viele fähige Kommandeure, die den Krieg weiterführen können. Das kommt der Ukraine zugute."

Mit Blick auf den belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko betont Barros, dieser habe von seiner Vermittlung zwischen Putin und Prigoschin klar profitiert: "Lukaschenko hat demonstriert, dass er dieses Ass im Ärmel hat. Dass er ein starker und unabhängiger Akteur in der russischen Politik, bis hinein in Putins innersten Zirkel, sein kann." Putin wolle Belarus kontrollieren. Aber Lukaschenko wolle die eigene Souveränität erhalten und Belarus selbst kontrollieren.

Keine gemeinsame Basis für Gespräche

Wenn Putin derart geschwächt ist, werden mit Blick auf den Ukraine-Krieg baldige Friedensverhandlungen wahrscheinlicher? Nein, sagt Barros: "Ich denke, wir werden in den nächsten zwei Jahren keine wirklichen Verhandlungen haben."

Die Kriegsparteien seien davon zu weit voneinander entfernt. Es gebe keine gemeinsame Basis für Gespräche. Sie würden es weiter auskämpfen müssen, weil ihre benannten Ziele zu weit auseinander liegen würden.

Barros: Sieg hängt von weiterer Unterstützung ab

Und wer gewinnt den Krieg am Ende? "Nach unserer Einschätzung können die Ukrainer konventionell-militärisch gewinnen. Wenn wir sie unterstützen", sagt Barros. Gewinnen hieße, dass die russischen Truppen vom gesamten Territorium vertrieben werden können, einschließlich der Ostukraine, des Donbass und der Krim, erklärt er.

Das könne aber nur dann gelingen, "wenn der Westen die Ukraine weiter entschieden unterstützt", betont Barros noch einmal. Für wie lange? "Noch viele Jahre", lautet seine Antwort.

Ralf Borchard, ARD Washington, tagesschau, 29.06.2023 08:11 Uhr