Boyd und Louis Brooks hoch zu Ross auf ihrer Ranch.
Weltspiegel

Energiewende in Texas Im "Wilden Westen" der Windkraft

Stand: 18.04.2021 13:51 Uhr

US-Präsident Biden will für den Klimaschutz eine rasante Energiewende einleiten. Im Öl-Bundesstaat Texas boomen nun Windräder. Dem Städtchen Sweetwater brachten sie den Aufschwung. Trotzdem sind nicht alle begeistert.

Von Verena Bünten, Washington

Wenn auf der Brooks-Ranch die Bullen über die Steppe getrieben werden, geht alles ganz traditionell zu: Louis Brooks und sein Sohn Boyd leiten die Herde souverän mit dem Pferd, am Sattel das Lasso. Nur dass ihre Tiere inzwischen unter Windrädern grasen. "Anfangs mochte ich die Windturbinen nicht, ich fand sie hässlich", erinnert sich der 71-jährige Senior-Rancher. "Inzwischen hört sich ihr Rauschen für mich wie Geld an, die Kasse klingelt."

Rund 7600 Hektar bewirtschaftet Brooks - eine Fläche, so groß wie Manhattan. Trotzdem sei es schwer, auf dem weiten trockenen Land als Rancher zu überleben. Aber: "Gott hat uns Öl geschenkt", sagt Brooks. Und Wind! Gegen Pacht hat er auf seinem Land ein Dutzend Ölpumpen aufstellen lassen - und 78 Windräder. Während der Ölpreis schwankt, gilt Wind hier als stabiles Geschäftsmodell. Über den Gewinn redet ein stolzer Rancher nicht. Der durchschnittliche Pachtertrag in der Region liegt aber bei etwa 10.000 US-Dollar im Jahr - pro Windrad.

Das Land ist flach, es gibt hohe Windgeschwindigkeiten, ein vorhandenes Übertragungsleitungsnetz, aber keine gesetzlichen Regulierungen. Das lässt die Windräder nur so sprießen: Ein Viertel der US-Windenergie kommt aus dem republikanischen Texas.

Von der Geisterstadt zum Boom-Gegend

Die Region rund um Sweetwater hat einen Windenergie-Boom erlebt: Seit den späten 1990er-Jahren herrscht hier wieder Aufbruchstimmung. Rod Wetsel nennt es den "Wilden Westen des Winds". Wetsel ist Anwalt für Schürfrechte und trägt Stiefel zum Nadelstreifenanzug - Texaner eben.

Rod Wetsel ist Anwalt für Schürfrechte.

Rod Wetsel ist Anwalt für Schürfrechte.

Das Örtchen Sweetwater, drei Autostunden westlich von Dallas, stand jahrzehntelang für Öl, Kühe und Klapperschlangen. Mal plagten Dürren, mal der abstürzende Ölpreis die 11.000 Einwohner. Die Jugend zog weg, Sweetwater drohte eine Geisterstadt zu werden. "Die Windenergie hat alles verändert", sagt Wetsel. "Vorher lag das Steueraufkommen im Landkreis bei 435 Millionen Dollar im Jahr - jetzt sind wir bei drei Milliarden Dollar." Die etwa 2000 Windräder rund um Sweetwater bedeuten Steuerdollar für das zuvor marode Schulsystem und neue Arbeitsplätze für die jungen Leute.

Grüne Konkurrenz bald bevorzugt?

Wenn man aber Buddy Napier fragt, sollte der Welt so schnell nicht der Sprit ausgehen. Auch er betreibt eine Ranch bei Sweetwater, aber eher als Wochenend-Vergnügen. Geld verdient er mit einem kleinen Ölunternehmen im nahen Permischen Becken, der erdölreichsten Region der Welt. Die erneuerbaren Energien hält Napier für nicht zuverlässig genug, sie seien eher eine Ergänzung.

Ölunternehmer Buddy Napier.

Ölunternehmer Buddy Napier macht sich Sorgen, mit seinem Geschäft bald ins Hintertreffen zu geraten.

Unter Präsident Biden fürchtet er einem unfairen Wettbewerb mit der grünen Konkurrenz: "Ich finde es kurzsichtig, eine Energieindustrie zu verdammen, um eine andere zu fördern, die bestenfalls zweitweise funktioniert", sagt er. Auch an die von Biden versprochenen, gutbezahlten Jobs in der neuen Energiebranche glaubt er nicht: Beim Aufbau der Windparks seien viele Leute beschäftigt, aber nur wenige bei deren Betrieb. "Wo sind denn die grünen Jobs? Für die meisten Ölarbeiter kommen die nicht in Frage."

Vom Ölfeldarbeiter zum Turbinentechniker

Am Texas State Technical College in Sweetwater jedenfalls werden Ortsansässige auf "grüne Jobs" vorbereitet: Dort können sie sich zu Turbinentechnikern ausbilden oder umschulen lassen. "Viele hier stammen aus Ölarbeiter-Familien und kennen das Auf und Ab: Arbeit und Geld zu haben - und dann stürzt der Ölpreis ab und alle verlieren ihre Jobs. Wind ist beständig", sagt Ausbilderin Billie Jones Hudson.

Unter der Leitung von Ausbilderin Billie Jones Hudson (mit rotem Helm) bereiten sich die künftigen Turbinentechniker auf eine Montageübung vor.

Unter der Leitung von Ausbilderin Billie Jones Hudson (mit rotem Helm) bereiten sich die künftigen Turbinentechniker auf eine Montageübung vor.

Dass die neue Technologie klimafreundlicher ist, finden die meisten gut. Entscheidend ist für sie aber ein stabiler Arbeitsplatz. "Es ist richtig, unser Ökosystem zu entlasten", sagt die Auszubildende Rebecca Fortuna, "Aber ich mache Öl nicht runter. Wir werden zweifellos alle Optionen brauchen - auch Öl und Gas."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet der "Weltspiegel" am 18. April 2021 um 19:20 Uhr.