Ein Lehrer steht vor einer Schulklasse der Wuramumuso Grundschule in Brong-Ahafo (Ghana).

Streik der Caterer in Ghana Hungrig im Klassenzimmer

Stand: 22.06.2022 11:47 Uhr

Seit Wochen liefern Caterer in Ghana kein Essen mehr in die Schulen - Hintergrund sind die gestiegenen Lebensmittelpreise. Millionen Schüler drücken deshalb hungrig die Schulbank - oder bleiben gleich zu Hause.

Es ist Mittagspause an der Grundschule von Aboabo in Kumasi in Ghana. Normalerweise würden sich die Kinder jetzt für das Schulessen anstellen. Jedes bekommt eine Mahlzeit vom Staat - umsonst. Doch seit einigen Wochen gibt es das nicht mehr. Die Caterer streiken, sie fordern mehr Geld vom Staat.

Die Folgen sind für viele Kinder schwer zu ertragen, etwa für den achtjährigen Jospeh Annan. Seit dem Frühstück habe er nicht mehr gegessen, sagt der Junge, er sei hungrig. Mit leerem Bauch aber lernt es sich nicht gut, sagt der Grundschullehrer Eric Appiah. "Der Streik hat unsere Arbeit erschwert. Denn die meisten Kinder können sich nicht gut konzentrieren, weil sie Hunger haben. Manche kommen nicht einmal mehr zur Schule."

"Der Staat muss etwas tun"

Mit dem Schulessen sei ein wichtiger Anreiz weggefallen, zum Unterricht zu gehen, sagt die Mutter der neunjährigen Kande Hassan. Ihre Tochter verkauft neuerdings Obst statt Lesen und Schreiben zu lernen. "Das Gratis-Mitttagessen war so wichtig für uns, wir können uns das nicht leisten." Seit der Streik begann, hätte ihre Tochter immer Hunger in der Schule. "Deshalb haben wir entschieden, dass sie zuhause bleiben soll."

Doch wovon wird sie daheim satt? Der ghanaische Kinderrechtsaktivist Ishak Mohammed Newton befürchtet, dass mehr Kinder zur Arbeit gezwungen werden. Mädchen drohe, in besonders jungen Jahren verheiratet zu werden, wenn sie ihren Familien zur Last fielen, weil sie nicht mehr in der Schule essen könnten.

"Das verursacht eine hohe Abwesenheitsquote. Das führt dazu, dass die Mädchen die Schule abbrechen", erklärt Newton. "Auf dem Land bedeutet das, dass sie früh verheiratet werden. Der Staat muss etwas tun."

Höhere Bezahlung gefordert

Rund vier Millionen Kinder in 10.000 Schulen waren zuletzt in den Genuss der Schulspeisung gekommen. Doch bei einer Rekord-Inflation von 24 Prozent für Lebensmittel ging den Speiselieferanten die Puste aus. Sie sagen zudem, dass die Regierung ihnen noch umgerechnet fast 30 Millionen Euro aus der Zeit vor dem Krieg in der Ukraine schulde.

Die Folgen des Krieges hätten die Lage der Caterer vollends unhaltbar gemacht, sagt die Generalsekretärin des Verbandes der Schul-Caterer, Helena Appiah. Sie fordert eine Erhöhung der Mittel. Für jede einzelne Schulmahlzeit solle die Regierung umgerechnet rund 40 Euro-Cent bezahlen.

"Jeder Transport kostet jetzt mehr, das Gas ist teuer, alles ist teuer. Wir können nicht für 11 Cent eine Mahlzeit kochen", sagt sie. Die Regierung müsse das zur Kenntnis nehmen. Doch die habe gesagt, sie könne nichts tun. "Dann haben wir entschieden: keine bessere Bezahlung, kein kochen."

Mahnung zu schneller Lösung

Schon seit 2005 läuft das lange von Gebern geförderte Schulspeisungsprogramm in Ghana: Es entlastete Familien und verbesserte die Ernährungslage auch von Kleinkindern. Die Ernährungsberaterin Suker Abubakar mahnt, für die Schulverpflegung bald eine Lösung zu finden.

Das Essen sei wichtig für die physische Entwicklung, aber auch für den Schulerfolg der Kinder: "Alle Beteiligten müssen auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder Rücksicht nehmen. Ein gut ernährtes Kind leistet mehr im Klassenzimmer."

Bitte der Regierung verhallt

Doch noch hat Ghanas Regierung keine Lösung gefunden, weder für die offensichtliche finanzielle Misere des Landes noch für ein Ende des Streiks. Der Sprecher des behördlichen Sekretariats für Schulspeisung, Silba Alfa, bittet um Geduld. "Wir unternehmen alles Denkbare, um die Mittel aus der Hauptbuchhaltung zu bekommen, damit wir sie weiterleiten können", sagt er.

Das Sekretariat arbeite fieberhaft daran. Die Schul-Caterer sollten bis dahin bitte schon mal zur Arbeit zurückkehren und auf die zuständige Behörde vertrauen, erklärt Alfa. Doch bislang verhallte die Bitte. Die Gefahr ist groß, dass Ghanas Schulkinder auch weiterhin mit leerem Magen aus der Pause in den Unterricht kommen.

Stefan Ehlert, Stefan Ehlert, ARD Rabat, 22.06.2022 10:39 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 22. Juni 2022 um 13:51 Uhr.