Europaparlament verabschiedet Abschieberichtlinie "Sie können mich doch nicht zurückschicken"

Stand: 18.06.2008 12:22 Uhr

Wer keine Aufenthaltsgenehmigung bekommt, muss in der Europäischen Union oft hinter Gittern auf seine Abschiebung warten. Bisher entschied jeder Mitgliedsstaat selbst über die Abschiebehaft. Jetzt hat das Europaparlament gemeinsame Standards festgelegt: Laut der "Rückführungsrichtlinie" ist eine Maximaldauer von sechs Monaten, in Ausnahmefällen von bis zu 18 Monaten vorgesehen. Ferner gelten ein Wiedereinreiseverbot von fünf Jahren und Mindeststandards für die Abschiebeverfahren.

Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg

40 Männer und Frauen sind hier untergebracht: Iraker, Chinesen, Algerier. Ihr Herumirren durch Europa endet hinter einer sechs Meter hohen Betonmauer und hinter Zellentüren aus Stahl. Einige sind erst seit zwei Monaten in Abschiebehaft, andere seit einem Jahr. Es ist ein Leben auf Abruf. Die Anstaltsleitung versucht, es mit den üblichen Angeboten erträglich zu machen: Hofgang, Fußball spielen oder den Kräutergarten beackern. Gut gemeint, sagt Badri Samir aus dem Irak, aber es hilft nicht. Im Gefängnis zu sein, sei einfach zuviel. "Ich schlafe nicht mehr, ich kann nichts mehr essen. Wenn ich noch einen Monat länger im Gefängnis bleiben muss, werde ich krank oder verrückt", sagt er.

Große Unterschiede zwischen Abschiebezentren

"Gefängnis" - das dürfte Badri eigentlich so nicht sagen. Die Anstaltsleitung legt nämlich Wert darauf, dass es sich hier um eine sogenannte "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" handelt. Ingelheim in Rheinland Pfalz ist noch eines der besseren Abschiebezentren in Deutschland. In Baden-Württemberg sind illegal eingewanderte Ausländer in Containern untergebracht, die in Gefängnissen aufgestellt wurden. Und im bayerischen Stadelheim gleicht das Abschiebezentrum einem Hochsicherheitstrakt für Schwerkriminelle. So gesehen sind die Zustände in Ingelheim noch vergleichsweise gut. Es gibt eine Krankenstation, regelmäßige Visiten von amnesty international und zwei Stockwerke, auf die sich die Zellen verteilen.

Vor eineinhalb Jahren ist Badri Samir nach Europa geflüchtet, über den Libanon nach Frankreich und dann über die Grenze nach Deutschland. Einer wie er würde sich auf jeder Baustelle zum Billigstlohn als Schwarzarbeiter verdingen. Aber einer wie er läuft mit seinen abgetragen Kleidern und Schuhen eben auch mitten hinein in eine Ausweiskontrolle der Polizei. "Sie fragten mich nach einem Pass oder einem Personalausweis", berichtet er, "aber wie sollte ich so was aus dem Irak haben?"

 

Nun sitzt Badri in seiner Zelle, zusammen mit einem Algerier, und wartet, was mit ihm passiert. "Sie können mich doch nicht in den Irak zurückschicken", sagt er. Alle Welt wisse, was dort zurzeit passiere. "Ich habe im Krieg meine ganze Familie verloren, ich habe dort niemanden mehr".

Richtlinie schafft Anspruch auf Rechtsbeistand

Von einer neuen Rückführungs-Richtlinie hat Badri noch nie etwas gehört. Dabei würde sie ihm einige Vorteile verschaffen: Anspruch auf Rechtsbeistand, Prozesskostenhilfe, und sie würde die Haftdauer in den meisten EU-Mitgliedsstaaten deutlich begrenzen. In Deutschland können Ausländer derzeit nach richterlicher Prüfung noch bis zu 18 Monate in Abschiebehaft bleiben. Die EU-Regel erlaubt nur noch sechs Monate. Nur unter bestimmten Umständen kann sie auf maximal eineinhalb Jahre ausgedehnt werden.

Und noch mehr werde sich ändern, sagt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler. Traumatisierte Menschen, Familien und Kinder werden besser behandelt. "Wenn man sieht, in wievielen Mitgliedsstaaten wir gar keine Spielregeln haben, dann kann das Europäische Parlament eigentlich nur Mindeststandards einführen", sagt Kreissl-Dörfler.

Badri Samir, dem Mann aus dem Irak, wird die EU-Richtlinie wohl nicht mehr viel nützen. Irgendwann wird man ihn aus seiner Zelle holen, in ein Flugzeug setzen und ihn abschieben in die arabische Welt. Und er wird nie verstehen, warum er eigentlich eingesperrt wurde. "Wieso bin ich hier?", fragt er. "Ich weiß es nicht. Ich habe doch nichts verbrochen."